S-Mitte/S-Nord – Widerspruch ist sinnlos, nicht nur im Bezirksbeirat, der ohnehin jederzeit überstimmt werden kann. Widerspruch ist auch im Gemeinderat sinnlos. Die Beratungen zum Um- und Ausbau der Wolfram- und vor allem der Heilbronner Straße in den kommunalpolitischen Gremien sind reine Informationsveranstaltungen über „den Stand des Projekts“. Der ist auf drei Seiten Papier zusammengefasst, auf denen erklärt ist, wie für zehn Millionen Euro der Straßenzug rund um das Bahnhofgelände umgebaut wird. Die Unterlagen zum Lärm auf dem Frühlingsfest umfassen 15 Seiten. Auf den breiteren Straßen soll der Verkehr fließen, den das neue Wohn- und Geschäftsgebiet samt dem Einkaufszentrum anlocken wird, das auf dem S?21-Gelände entsteht.
Widerspruch gab es reichlich. Erst nörgelten die Bezirksbeiräte im Norden: Die Straßen würden zu breit, die Pläne seien für Autos entworfen, nicht für Menschen. Dann schimpften die Bezirksbeiräte in der Stadtmitte. Der Grundton war der gleiche, wenn auch ungleich härter, vor allem beim Sozialdemokraten Manuel Krauß: „Das ist eine Scheißplanung.“
Ein Konzept nach dem Motto der autofreundlichen Stadt
Derart drastisch formulierte das zwar kein anderer der Lokalpolitiker, aber im Grundsatz herrschte über alle politischen Richtungen weg ungewohnte Einigkeit. „Ich halte das für kompletten Unsinn“, sagte der Liberale Christian Wulf. Wenn ein solcher Straßenausbau verwirklicht wird, „können wir uns in Zukunft alle Verkehrspläne hier sparen“, meinte die Linke Rita Krattenmacher.
Die Meinung der Grünen lag schriftlich auf dem Tisch – ein Antrag der Gemeinderatsfraktion, formuliert rund um die Kernaussage: „Ein Konzept aus vergangenen Tagen nach dem Motto der autofreundlichen Stadt.“ Dabei könnten auch Grüne aus den Plänen durchaus Erfreuliches herauslesen. An und inmitten der Heilbronner Straße sollen insgesamt 65?Bäume gepflanzt werden. Neue Fuß- und Radwege werden die Straßenschneise säumen. Für Fußgänger werden Ampeln installiert, wo ein Überqueren der Hauptverkehrsader heute unmöglich ist – es sei denn bei Stau.
In der Gesamtrechnung wird es nach dem Umbau rund um den Bahnhof eher weniger als mehr Straßen geben. Auf der Heilbronner Straße soll der Verkehr künftig durchgängig auf sechs Geradeausspuren fließen, drei in jede Richtung. Asphaltiert wird dafür aber nicht, denn der Bus wird ins neue Stadtviertel umgeleitet. Deshalb werden die bisher reservierten Spuren frei. Zwar wird die Wolframstraße künftig durchgängig vierspurig sein, aber im Gegenzug entfällt die Straße „Am Schloßgarten“. Neu gebaut werden im Wesentlichen nur die Kreuzungen zu den Straßen, die ins künftige Rosensteinviertel führen.
Stadt hat der Bahn die Planung vertraglich zugesichert
Das Konzept ist zwar bereits zehn Jahre alt, aber insgesamt hält Stephan Oehler, der oberste städtische Verkehrsplaner, den Umbau keineswegs für eine Überbleibsel aus der Freie-Fahrt-für-freie-Bürger-Zeit. Aber „es wird nicht mehr gemacht, als man machen muss“, sagt er. „Wir würden heute auf ähnliche Dimensionen kommen.“ Sonst würde zumindest zu Hauptverkehrszeiten die Heilbronner Straße zu einem vierspurigen Parkplatz.
Den Widerspruch weckt – abgesehen davon, dass alles Widerspruch weckt, was die Ziffernkombination 21 enthält – dass die Stadt vor zehn Jahren die Um- und Ausbauten der Bahn versprochen hat. Womöglich würde eine aktuelle Gemeinderatsmehrheit diese Versprechen kassieren, sie kann aber nicht. Die Stadt hat der Bahn die gesamte Planung vertraglich zugesichert und zwar so, dass die Bahn sogar das Recht hat, die Straßen selbst auszubauen, sollte die Stadt sich weigern, das Projekt zu verwirklichen. Im Gegenzug zahlt die Bahn rund die Hälfte der Baukosten.
Einen zweiten Vertrag hat die Stadt erst vor einem Jahr mit dem Konzern ECE geschlossen. Dessen Pläne für das „Milaneo“ getaufte Einkaufszentrum an der Wolframstraße waren lange umstritten. Abgesehen von architektonischen Details ging es vor allem der SPD und den Grünen im Gemeinderat um „ein Mobilitätskonzept, um die optimale Erreichbarkeit des Einkaufszentrums sicherzustellen“. Die Bauarbeiten beginnen im nächsten Jahr.
Sieht so moderne Stadtplanung aus? Verträge werden irgendwie geschlossen und unterliegen keinerlei Kontrolle? Die Hoheit über das Recht, Straßen zu bauen wird einfach abgegeben und durch ein wirtschaftlich orientiertes Aktienunternehmen ausgeführt? Was kommt als nächstes? Müssen wir Maut bezahlen, wenn wir die Wolframstraße zukünftig benutzen? Was sind das bitte für Zustände?
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