100 Jahre Linden Apotheke in Gablenberg
„Apothekeneröffnung in Gablenberg “
mit dieser Überschrift machte der Apotheker Richard Otterbach am Samstag, dem 15. Juni 1912, in einer Annonce im Stuttgarter Neuen Tageblatt eine wichtige Nachricht für den Stuttgarter Osten bekannt: „Die Linden Apotheke, Ecke Gablenberger- und Hauptstraße ist von heute ab eröffnet.“
Das Weingärtnerdorf jenseits der Gänsheide im Seitental der Residenzstadt war in den letzten Jahrzehnten schnell gewachsen, hatte jetzt etwa 8100 Einwohner, halb noch Dorf, halb Vorstadt von Stuttgart. Daher hielt es die Württembergische Landesregierung für erforderlich, auch hier die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Schon am 11. Februar 1911 hatte das Ministerium des Innern die Errichtung einer neuen Apotheke in Gablenberg genehmigt und in der Pharmazeutischen Zeitung Bewerber, die eine Konzession dafür erhalten wollten, aufgefordert, sich zu melden. Das tat der 42-jährige Apotheker Richard Otterbach, der zu der Zeit in der Stuttgarter Charlotten Apotheke angestellt war.
Da er ein erfahrener Apotheker war, als Sohn eines wohlhabenden Landwirtes aus der Nähe von Schwäbisch Hall auch über das nötige Kapital verfügte, erhielt er schon einen Monat später die Konzession.
Natürlich wussten die Gablenberger darüber längst Bescheid. Sie hatten mit Staunen zugesehen, wie an der Ecke Gablenberger Hauptstraße/ Libanonstraße nach Bauart des Jugendstils das gut gegliederte und mächtige neue Gebäude errichtet worden war, eine Zierde für den Ort. Im Erdgeschoss war Platz für die Verkaufsräume, geprägt durch schöne Eichenregale und Schränke aus Nussbaumholz, rechts das Büro, links das Labor, und im zweistöckigen Keller war das Lager für Rohstoffe und Heilkräuter zur Herstellung von Medizin.
Aus Anlass des hundertjährigen Jubiläums wird die Linden Apotheke eine kleine Gedenkschrift herausgeben, in der man Einzelheiten über Richard Otterbachs 25-jähriges Wirken in Gablenberg nachlesen kann. Er wird in den wenigen, noch erhaltenen Zeugnissen als ein überaus zuverlässiger, tüchtiger Apotheker und angesehener, freundlicher, geselliger Bürger Gablenbergs dargestellt. Er war noch einer jener Pharmazeuten, die sich nach einer langen praktischen Ausbildung und einem dreisemestrigen Studium der Botanik und Chemie vor allem als Handwerker für die Herstellung von Arzneimitteln verstanden.
Als Otterbach nach seinem 25-jährigen Firmenjubiläum in den Ruhestand getreten war, wurde 1938 Hugo Knecht Eigentümer der Linden Apotheke. Er führte sie während des 2. Weltkrieges und in der Nachkriegszeit. Ältere Gablenberger erinnern sich weniger an ihn als an die Luftschutzsirene oben auf dem hohen Eckgebäude, an das Heulen in den Schrecken der Bombennächte, in denen die Apotheke fast wie ein Wunder vor der Zerstörung bewahrt blieb. Nach Knecht kaufte 1957 der gebildete und hilfsbereite Dr. Eugen Ehninger die Apotheke. Von ihm ist überliefert, dass er über hervorragende Fertigkeiten in der Herstellung von Medikamenten verfügte, die er lieber selbst fabrizieren wollte als immer mehr die Aufgabe zu erfüllen, hauptsächlich Produkte der Pharmaindustrie zu verkaufen.
Aber der Wandel der Apotheke primär zur Verkaufsstätte industriell produzierter Heilmittel war unaufhaltsam. Diese Umbildung sinnvoll und effizient zu gestalten fiel in die Zeit von Hildegard Eleftheriadis, die unter Mitarbeit ihres Ehemannes, des Apothekers Aristoteles Eleftheriadis, nach Dr. Ehningers Tod im Jahre 1967 die Linden Apotheke übernahm.
Nun waren Apotheker nach einem vollen akademischen Studium der Chemie, Botanik und Pharmakologie zu Fachleuten für die Wirkweise und alle Anwendungsmöglichkeiten eines ausgezeichneten und vielseitigen Sortiments von Medikamenten ausgebildet worden. Kenntnisse darüber weiterzugeben und durch eine zuverlässige Beratung Möglichkeiten alternativer und preisgünstiger Arzneien aufzuzeigen, in diese Aufgabe wuchs nun die Linden Apotheke hinein.
Nach mehr als 30-jähriger Tätigkeit ging Frau Eleftheriadis 1998 in den Ruhestand. Von ihr übernahm Frau Dorothee Seils als Eigentümerin die Linden Apotheke. Unter ihrer Leitung fand sich inzwischen ein Team von zwei weiteren approbierten Apothekern, einer Pharmazeutisch-Technischen-Assistentin und einer Pharmazeutisch-Kaufmännischen-Angestellten zusammen, die sie als Mitarbeiter gewann.
Welche Aufgaben die neue Apothekenmannschaft sich setzte, nach welcher Philosophie sie das Unternehmen betreibt, ist in der kleinen Schrift nachzulesen, die aus Anlass des hundertjährigen Jubiläums jedem Kunden überreicht werden wird.
Apotheker der Linden-Apotheke:
1912 -1937 Richard Otterbach
1938 -1957 Hugo Knecht
1957 -1967 Dr. Eugen Ehninger
1967 -1998 Hildegard Eleftheriadis
seit 1998 Dorothee Seils
Beitrag, Frau Dorothee Seils
Weitere Infos unter Lindenapotheke-Stuttgart
Fotos, 2 Lindenapotheke, 2 fotogalerie-stuttgart Sabine
Hallo,
es ist schon eine außerordentliche Sache wenn sich die Geschichte einer Institution – und das war eine Apotheke zumindest bis vor einigen Jahrzehnten – lückenlos bis zur Gründung verfolgen lässt.
Allerdings denke ich, dass auch die Ostend – Apotheke ein ähnliches „Alter“ aufweisen dürfte.
Es bleibt zu hoffen, dass die Apotheken auch die Herstellung eigener Arzneimittel weiterhin pflegen, denn sonst mutieren sie vollends zu Arzneimittel-Abgabestellen.
stratkon