Mit Erleichterung hat Sozialministerin Katrin Altpeter zur Kenntnis genommen, dass es nach Auskunft der Organtransplantationszentren im Land in Baden- Württemberg nicht zu Manipulationen bei der Organvergabe gekommen ist. Auf der Jahrestagung der Transplantationsbeauftragten am Montag in Stuttgart bekräftigte die Ministerin jedoch, dass aus den Vorfällen in Göttingen auch in Baden-Württemberg Konsequenzen gezogen werden müssten. „Es geht um die Frage, wie das Risiko von Manipulationen oder Unregelmäßigkeiten bei der Organvergabe so weit wie möglich verringert werden kann“, so Altpeter. Bei einem Gespräch mit den fünf Transplantationszentren in Freiburg, Heidelberg, Mannheim, Tübingen und Stuttgart Mitte September im Sozialministerium seien erste Maßnahmen beschlossen worden. „Patienten und deren Angehörige müssen sicher sein können, dass die Spenderorgane gerecht verteilt werden“, erklärte Altpeter.
Sechs-Augen-Prinzip: Einrichtung von interdisziplinären Transplantationskonferenzen
Ministerin Altpeter teilte mit, dass als eine erste Konsequenz aus den Vorfällen in Göttingen in Baden-Württemberg ab sofort das Sechs-Augen-Prinzip gilt. Die Transplantationszentren in Baden-Württemberg hätten sich verpflichtet, in jedem Zentrum verbindlich eine interdisziplinäre Transplantationskonferenz einzurichten. Dieses innerklinische Kontroll- und Supervisionsgremium soll aus wenigstens drei Ärztinnen oder Ärzten bestehen, von denen eine Person einem medizinischen Fach angehört, das nicht unmittelbar an der Transplantation beteiligt ist – zum Beispiel Radiologie, Labormedizin oder Medizinethik. Diese Verpflichtung ist Teil des Zulassungsverfahrens für Transplantationszentren durch das Sozialministerium. Den Zentren steht es frei, über diese Mindestanforderungen hinaus weitere Personen, z.B. aus dem Pflegepersonal, in die Transplantationskonferenz aufzunehmen.
Altpeter: „Die Transplantationszentren müssen ihre Abläufe bei der Organtransplantation mit einem Höchstmaß an Transparenz organisieren und lückenlos dokumentieren.“ Insbesondere Entscheidungen, die in dringlichen Situationen zu treffen seien, müssten nachvollziehbar dokumentiert und interdisziplinär aufgearbeitet werden.
Keine fallzahlabhängigen Boni – mehr staatliche Aufsicht
Einigkeit bestand am „Runden Tisch Organtransplantation“ auch darüber, dass es in der Transplantationsmedizin keine Bonuszahlungen für bestimmte Leistungsmengen (fallzahlabhängige Boni) geben darf. Sie hätten nicht das Wohl der Patienten zum Ziel, stellten vielmehr finanzielle Fehlanreize dar. Die Vertreter der baden-württembergischen Transplantationszentren hatten bei dem Gespräch darauf hingewiesen, dass solche Boni an ihren Zentren nicht gewährt werden.
Als Konsequenz aus den Göttinger Vorfällen will die Ministerin auch die staatliche Aufsicht verstärken. Sie fordert deshalb, dass die Richtlinien der Bundesärztekammer für Organtransplantationen nach dem Transplantationsgesetz künftig vom Bundesgesundheitsministerium genehmigt werden müssen.
Außerdem will sie erreichen, dass bei Überprüfungen in den Transplantationszentren vor Ort ein Vertreter des jeweiligen Landes an der Prüfung beteiligt wird.
Vertrauen wiedergewinnen
Die Teilnehmer des Runden Tisches hätten darüber hinaus eine ganze Reihe von Vorschlägen unterbreitet, die nun von den Fachleuten sehr sorgfältig geprüft würden. Die Ministerin will diese Vorschläge auch in das baden-württembergische „Aktionsbündnis Organspende“ einbringen. Im Aktionsbündnis sind u. a. die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft, die Transplantationszentren, die Deutsche Stiftung Organtransplantation, die Krankenkassen, die Ärzte- und Apothekerschaft und die Patientenorganisationen vertreten.
An die Transplantationsbeauftragten gewandt, unterstrich die Ministerin, dass auf Landesebene alles getan werde, um die Transplantationsmedizin zu unter- stützen. „Wir haben in Baden-Württemberg hervorragende Experten, die durch ihre engagierte Arbeit in vielen Fällen schwerkranken Menschen das Überleben sichern und viel Lebensqualität ermöglichen.“ Trotz der Vorfälle in Göttingen dürften sie keinen pauschalen Vorwürfen ausgesetzt werden.
Die Ministerin rief die Transplantationsbeauftragten dazu auf, im Interesse der Patienten Schwachstellen bei Organspende und Organtransplantation zu beseitigen. „Wir müssen das Vertrauen der Bevölkerung so rasch wie möglich zurückgewinnen. Denn ohne Organspende gibt es auch keine Organtransplantationen“, schloss die Ministerin.
Quelle: Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg