Stuttgart kämpft gegen das Bienensterben und schafft Lebensraum für Nektar tragende Insekten
Antrag der Stadträtinnen/Stadträte – Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN
Die Leistung von Bienen ist verblüffend. Sie produzieren weltweit nicht nur 1,2 Mio. Tonnen Honig jährlich, sondern bestäuben auch fast die Hälfte aller Pflanzen auf unserem Planeten.
Am einfachsten zu begreifen ist es, wenn man bedenkt, dass ein Drittel unserer gesamten Nahrungsmittel direkt von der Bestäubung durch Bienen abhängt. Eindrucksvoll lassen sich diese Zusammenhänge im Dokumentarfilm „More than honey“ sehen und verstehen. Es ist schwer vorstellbar, aber in China werden bereits ganze Landstriche von Obstwiesen durch Wanderarbeiter „manuell“ bestäubt, weil die in der Landwirtschaft eingesetzten Pestizide die lokalen Bienenvölker dezimiert haben.
Das Bienensterben kennt keine Grenzen. In Deutschland sind in den letzten Jahren von geschätzten 1.200.000 Bienenvölker ca. 450.000 gestorben. Wissenschaft und Imker sind alarmiert über die rätselhafte Beschleunigung des Bienensterbens.
Zwei Ursachen sind bisher bekannt: Erstens die Varroa-Milbe, die vor etwa 30 Jahren aus Asien eingeschleppt wurde und die mittlerweile flächendeckend die Bienenvölker befallen hat. Gegen diese Milbe können sich die europäischen Bienen-Arten nicht schützen. Dies zwingt die Imker, die Völker zu behandeln. Die Bienenvölker sind durch den Befall heute viel anfälliger gegenüber Infektionen als früher, die Imker erleben dadurch öfters bittere Verluste, weswegen sich die Anzahl der aktiven Imker wiederum verringert. Der zweite Faktor, der zu der drastischen Verschlimmerung des Bienensterbens führt, sind die generellen bienenfeindlichen Lebensbedingungen unserer veränderten Landschaften: Monokulturen in der Landwirtschaft, Verwendung von bienenschädigenden Pestiziden und fehlende Blühstreifen an
Ackerrändern lassen die Bienen schon mitten im Frühsommer verhungern. Sie finden nach der Obstblüte bereits ab Ende Juni nicht mehr ausreichend Nahrung. Auch wenn sich im letzten Jahrzehnt die Bedingungen durch die landwirtschaftliche Praxis wiederum leicht verbessert haben, verschlimmert nun der Klimawandel die Lage für die Bienen.
Auf kommunaler Ebene sind diese globalen Probleme nicht in den Griff zu bekommen. Dennoch sind die Städte durch ihre Blütenvielfalt günstige Lebensräume für Bienen geworden und können aktiv dem Bienensterben entgegen steuern.
Daher beantragen wir, dass folgende Maßnahmen in Stuttgart ergriffen werden:
1. Öffentliches Grün umwandeln in öffentliches „Bunt“! Öffentliche Grünflächen, Friedhöfe und Anpflanzungen im Inneren von nicht stark belasteten Kreisverkehren und Straßenränder sollen mit für Bienen geeigneten Pflanzen und Sträuchern aktiv versehen werden (ganzjährige Bienenweide mit Winterheide, Sonnenkraut usw). Blühstreifen sollen zum richtigen Zeitpunkt gemäht werden.
2. Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeiter des Gartenbauamtes, Kooperation mit dem Amt für Umweltschutz bei der Ausarbeitung der Pflanzpläne und bei der Festlegung, welche Anpflanzungen für Bienennahrung geeignet sind. Günstige Mähzeitpunkte sollen definiert und eingehalten werden.
3. Bürgeraktionen auf den Weg bringen: Über Zeitungen und Veranstaltungen werden Bürger über das Bienensterben informiert und angeregt, selber die Lebensbedingungen der Bienen zu verbessern (durch Aussähen und Pflege von geeigneten Pflanzenarten, in Gärten, auf Terrassen, Balkonen oder Baumscheiben). Bürger sollen informiert und
ermutigt werden, eigene Bienen zu halten.
4. Geeignete städtische Grundstücke sollen mit Priorität an angehende Imker verpachtet werden. Jugendfarmen, Abenteuerspielplätze, Seniorenresidenzen usw. sollen ebenso ermutigt werden, eigene Bienen zu halten.
Um diesen „kommunalen Aktionsplan gegen das Bienensterben“ auf dem Weg zu bringen, soll das städtische Gartenamt gemeinsam mit dem Umweltamt und der Abteilung „Öffentlichkeit“ eine entsprechende Haushaltsvorlage amtsübergreifend auf den Weg bringen und darüber im Umweltbeirat vor dem Sommer berichten. Unserer Meinung nach könnte die Bepflanzung von öffentlichen Grünflächen mit artgerechten und bienenfreundlichen Pflanzen, deren Bewirtschaftung und Vernetzung sogar wesentlich kostengünstiger ausfallen als die bisherige Art der Bepflanzungen mit einjährigen Zierpflanzen.
Unterzeichnet:
Anna Deparnay-Grunenberg, Peter Pätzold
Fotos, Stratkon und Klaus