Liebe MitstreiterInnen,
wer aktiv in der Bewegung gegen Stuttgart 21 ist, gewinnt immer wieder neue Erkenntnisse und Einblicke in die Verhältnisse „in diesem unserem Lande“. Manchmal bedarf es allerdings eines genialen Menschen, um eine ganz neue Stufe des Bewußtseins zu erlangen. Um solch ein Genie handelt es sich zweifellos beim Architekten des unterirdischen Tiefbahnhofs, Herrn Ingenhoven. Von ihm stammt der erleuchtete Satz: „Was wir bauen ist eigentlich kein Bahnhof. Was wir bauen ist eigentlich eine Bahnsteig-Überdachung.“ Näheres dazu dazu im Freitag. Für offiziell 6,8 und wahrscheinlicher 10 bis 15 Milliarden eine Bahnsteig-Überdachung zu bauen, fürwahr eine wahnsinnig geniale Idee. Ist ja auch nicht das Geld von Herrn Ingenhoven, das hier vergraben und in die Taschen von Baumafia, Finanz- und Immobilienspekulanten sowie ihrem politischen und medialen Anhang gestopft wird.
Nicht neue, aber doch immer wieder interessante Erkenntnisse über diesen Zusammenhang bot die Rede des Finanzjournalisten Lucas Zeise auf der letzten Montagsdemo. Er bestätigte auch nochmal unsere Kritik an der Umwandlung städtischen Eigenkapitals bei der LBBW in eine „stille Einlage“. Das Ziel dieser Veranstaltung ist wie bei der Tieferlegung des Bahnhof klar: wir sollen zahlen, aber mitreden oder gar mitentscheiden ist nicht erwünscht.
Sehr schön auch die Rede von Dominik „Zwuckelmann“ mit der Aufforderung an die Bewegung, wieder radikaler zu werden. „Radikal heißt für mich, dass wir keine Rücksichten mehr nehmen auf parteipolitische Ränkespiele oder wahltaktische Strategien nicht zuletzt auch innerhalb unserer Bewegung. Nur die Sache zählt! Radikal heißt für mich auch, dass wir keine Rücksichten mehr nehmen auf eine möglichst gefällige Außenwirkung unseres Protests. Radikalität erzeugt aus sich heraus Sympathien! Und radikal heißt schließlich auch, dass wir durch Toleranz und Akzeptanz untereinander der Buntheit und Kreativität unserer Bewegung wieder mehr Luft zum Atmen geben. Jeder sollte im Rahmen des Aktionskonsenses das tun und sagen dürfen, was er für richtig hält.“
In diesem Sinne war die von der Blockadegruppe initiierte Veranstaltung im Kunstverein ein guter Einstieg. Vor hunderten ZuhörerInnen konnten wir eine kontroverse, aber durchaus solidarische Diskussion über Strategien zum Ausstieg aus Stuttgart 21 erleben. Unsere Mitstreiterin Ursel Beck hob hervor, dass trotz der Berechtigung verschiedener Handlungsansätze nicht alle in der aktuellen Phase des Widerstands die gleiche Bedeutung haben. Nicht ganz überraschend plädierte sie für eine aktive Teilnahme an Blockaden im Kernerviertel, um die Baumaßnahmen des GWM möglichst effizient zu stören. Sie betonte die Bedeutung einer stärkeren Vernetzung mit anderen Bewegungen, die sich gegen die Zumutungen der aktuellen Krisenentwicklung des Kapitalismus wehren.
Die nächste Chance, den Widerstand im Kernerviertel gegen die Verlegung der Rohre für das GWM aktiv zu unterstützen, bietet sich nächste Woche: Das Netzwerk Kernerviertel ruft am nächsten Montag, den 15.April zu einer angemeldeten Demo auf. Treffpunkt Kernerplatz 17:30 Uhr, von dort geht es zur Montagsdemo auf dem Marktplatz.
Am Dienstag 16. April findet wieder das fröhliche Frühstück im Kernerviertel statt, in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Kernerviertel. Treffpunkt wie jeden Dienstag um 6:30 Uhr beim Technikgebäude (Platz vor der LBBW) oder dann ein paar Minuten später über dem Wagenburgtunnel. Je mehr kommen, desto netter wird es.
Wer sich von der aktuellen Zerstörung des Stadtbildes durch die blauen GWM-Rohre einen Eindruck verschaffen will, sollte einen Blick auf den Blog von Wolfgang Rüter werfen, der den verrohrten Zustand in 125 Fotos dokumentiert und kommentiert hat. Stadtrundgang – Stuttgart verrohrt.
Mit einer aktualisierten Fassung unseres GWM-Flugblattes wollen wir selber Aufklärungsmaterial für die in den kommenden Monaten sicher zentrale Debatte um die Verhinderung einer Inbetriebnahme des GWM beisteuern. Danke an Ursel für den Text und an Edgar für das attraktive Layout . Wir stellen den aktuellen Entwurf online. Er soll nächste Woche in Druck gehen und dann breit verteilt werden.
Nächste Woche findet auch unsere schon lang geplante GWM-Informationsveranstaltung mit Ralf Laternser im Bezirksrathaus in Bad Cannstatt statt. Unter dem Titel „Verrohrt, verbohrt, verantwortungslos – Aktuelle Informationen zum Grundwassermanagement beim Projekt S21“ wird er am Donnerstag, den 18. April um 19 Uhr über den aktuellen Sachstand in Sachen GWM und das laufende Planänderungsverfahren berichten. Da dem GWM eine zentrale Bedeutung für die Realisierung des unterirdischen Projektes Tiefbahnhof Stuttgart 21 zukommt, ist es wichtig, dass möglichst viele Menschen, diese Zusammenhänge kennen und sich aktiv in die Debatte einbringen.
Weitere Termine:
Am Freitag, 19. April findet die nächste Aktionskonferenz statt, auf der wir uns auf die Vorstellung, Besprechung und Weiterentwicklung von Aktivitäten gegen S21 konzentrieren wollen. Sie wird ab 18:30 Uhr im WKV stattfinden.
Am Samstag, 20. April findet ein bundesweites Vorbereitungstreffen für das dritte europäische Forum gegen unnütze und aufgezwungene Großprojekte statt.
Zeit: 11.00 – 17.00 Uhr Ort: Württembergische Kunstverein Stuttgart, Schlossplatz 2
www.drittes-europaeisches-forum.de
Zum Abschluß dieser Rundmail noch der Hinweis auf die aktuelle Ausgabe des Tunnelblick, die sich diesmal mit dem „Fortschritts“-Begriff beschäftigt. Nicht ganz unerwartet, kommt sie zum Ergebnis, dass Stuttgart 21 ein durch und durch fortschrittsfeindliches Projekt ist. „Das Ende von Stuttgart 21 wäre ein guter Anfang“.
In diesem Sinne ein freundliches „Oben bleiben“
Wolfgang