Schlecker-Stiftungsfonds wird geschlossen – Ein wenig menschliche Wärme gegen soziale Kälte
Gemeinsame Pressemitteilung von:
Betriebsseelsorge der Diözese Rottenburg-Stuttgart,
Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt der evangelischen Kirchen in Baden und Württemberg,
Gesamtbetriebsrat Schlecker und
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di)
Schlecker-Stiftungsfonds wird geschlossen – Ein wenig menschliche Wärme gegen soziale Kälte
Zum Ende des Jahres wird der „Schlecker-Stiftungsfonds“ geschlossen. Er hatte unter dem Dach der Caritasstiftung „Arbeit und Solidarität“ eineinhalb Jahre lang ehemalige Schlecker-Beschäftigte finanziell und beratend unterstützt. Nachdem damals bei der Insolvenz dieser Drogeriekette politische Interessen die Bildung einer Transfer- und Auffanggesellschaft für die 30. 000 Beschäftigten verhindert hatten, stürzten die diese ohne Abfindung von heute auf morgen in die Arbeitslosigkeit. Für viele Alleinerziehende oder auch überschuldete Haushalte war dies die Rutschbahn in die Armut. Die Gewerkschaft ver.di in Baden-Württemberg, der evangelische „Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt“ und die Kath. Betriebsseelsorge schufen daraufhin mit Hilfe der CaritasStiftung in der Diözese Rottenburg-Stuttgart einen eigenen Stiftungs-Fonds, um unbürokratisch und schnell helfen zu können.
Paul Schobel, Initiator des Stiftungsfonds: „Es ist uns gelungen, ein wenig menschliche Wärme in die soziale Kälte einer Politik zu bringen, die es zuließ, dass so viele Menschen ins gesellschaftliche Abseits von Arbeitslosigkeit und Armut geraten sind.“
Insgesamt kamen in diesen eineinhalb Jahren, so berichtet die CaritasStiftung, über 73.000 Euro an Spendenmitteln zusammen, aufgebracht hauptsächlich von Gewerkschafts- und Kirchenleuten oder zusammengetrommelt bei Aktionen und Sammlungen im ganzen Land und darüber hinaus. Mit Hilfe dieser Mittel wurden fast 170 ehemalige Beschäftige, zu über 90 Prozent „Schlecker-Frauen“ mit maximal 400 Euro unterstützt. In einigen Fällen konnte so ein laufendes Inkasso-Verfahren gestoppt, eine Heizölrechnung beglichen oder der Kauf von Kinderkleidung ermöglicht werden. Eine eigene Vergabe-Kommission, in der auch der Gesamtbetriebsrat von Schlecker vertreten war, prüfte die Anträge und entschied dann im Einzelfall über die Höhe der Zuwendung. Mit jedem Bescheid wurden die Empfängerinnen aber auch auf weitere Beratungs- und Hilfsmöglichkeiten wie etwa bei Diakonie und Caritas hingewiesen. Auch nach Schließung des Stiftungsfonds können betroffene und immer noch erwerbslose
Schlecker-Beschäftigte weiterhin Anträge stellen, die dann über das Kuratorium der Caritasstiftung „Arbeit und Solidarität“ beschieden werden.
Nachforschungen der Gewerkschaft ver.di ergaben, dass von den ehedem 25. 000 arbeitslos gemeldeten Schlecker-Leuten immer noch 9.600 ohne Arbeit sind. Etwa 3.000 sind von anderen Drogeriemärkten – zumeist unbefristet und tarifgerecht – übernommen worden. Den anderen wurde überwiegend berufsfremde Arbeit wie zum Beispiel in Call- Centern angeboten, meist nur in Teilzeit, befristet oder in geringfügiger Beschäftigung. Die dabei genannten Stundenlöhne liegen zwischen 6.50 bis 8.50 Euro. Etwa 170 Frauen haben sich mit höchstem persönlichem Risiko und eigenen Krediten selbständig gemacht. Ob sie dem Konkurrenzdruck im Einzelhandel standhalten können, ist völlig offen. Nur etwa fünfzig Schlecker-Frauen sind dem „wohlmeinenden Rat“ der Arbeitsministerin gefolgt und befinden sich in Ausbildung zur Erzieherin, an deren Kosten sich die Arbeitsagenturen jedoch nur begrenzt beteiligen.
Die Initiatoren des Hilfs-Fonds verbinden mit der Schließung den dringenden Appell an Wirtschaft und Politik: Einen zweiten Fall Schlecker darf es niemals mehr geben! Es ist in höchstem Maße unverantwortlich, Menschen aus der Erwerbsarbeit von heute auf morgen in Erwerbslosigkeit hinaus zu stoßen, die für viele die Armut nach sich zieht. Sie müssten statt dessen in Transfergesellschaften aufgefangen, begleitet, qualifiziert und neu vermittelt werden.
Kurzinterview
mit Heike Fröhlich, 51 Jahre, bis zur Insolvenz bei Schlecker Magstadt beschäftigt, arbeitslos seit 1. April 2012. Heike Fröhlich ist eine derfast 170 Betroffenen, die auf Antrag Mittel aus dem Stiftungsfonds erhalten hat.
Wie lange waren Sie bei Schlecker?
Insgesamt Dreizehn Jahre. Zunächst habe ich als Teilzeitkraft gearbeitet, später dann Vollzeit als Filialleiterin in Magstadt.
Warum mussten Sie Hilfe beim Stiftungsfonds beantragen:
Ich hatte schon bald Probleme meine Miete zu bezahlen und für meine zwei Kinder aufzukommen: Mein Sohn lebt noch bei mir, meine Tochter war damals in der Lehre. Für Miete und Strom erhielt ich dann vom Stiftungsfonds einmalig 400 Euro.
Das hört sich nach dem Tropfen auf dem heißen Stein an, hat es trotzdem geholfen:
Ja, das war am Beginn der Heizperiode und mit dem Geld konnte ich wenigstens die schlimmste Zeit ein wenig überbrücken.
Wie sieht es für Sie heute aus, nach anderthalb Jahren:
Ich bin immer noch arbeitslos. Aus gesundheitlichen Gründen war es mir leider nicht möglich, eine Maßnahme der Arbeitsagentur zur Betreuungskraft für Demenzkranke anzutreten. Ich rechne nun damit, ab März nächsten Jahres in ALG II zu rutschen. Immerhin, bei der Tafel in Böblingen mache ich zur Zeit einen Kurs zur Fachfrau für Lohn und Gehalt. Vielleicht bekomme ich in diesem Bereich eine zweite Chance.