30. Juni bis 30. Juli 2014: Sommerpause für die Seilbahn
Pressemitteilung der SSB vom 23.06.2014
Sie wird 85 und sieht immer noch fast so gut aus wie am ersten Tag: die historische Standseilbahn der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) in Stuttgart-Heslach. Damit sie auch in ihren Vitalfunktionen munter bleibt, geht sie jetzt erst einmal für gut vier Wochen in die Sommerfrische, zur Gesundheitskur. Sprich vom 30. Juni bis zum 30. Juli fährt sie nicht. In dieser Zeit übernehmen Omnibusse den Dienst zwischen Südheimer Platz und Waldfriedhof. Gleichzeitig schrauben und hämmern, ölen und pinseln, messen und fühlen die Handwerker und Ingenieure hinter den Kulissen fleißig, denn es läuft die grundlegende Zehn-Jahres-Revision bei der Seilbahn. So lange, seit Sommer 2004, ist es nämlich schon her, dass die Schnürlesbahn von Grund auf fit gemacht worden ist, mit neuer Technik hinter bewährtem Gewand, nachdem Brüssel neue Sicherheitsauflagen für Seilbahnen erlassen hatte.
Während die Jahresprüfung der Seilbahn sonst einige Tage dauert, müssen sich die Nutzer der Lustige-Witwen-Bahn diesmal länger gedulden: Zur grundlegenden Durchsicht und technischen Prüfung – erst durch die Praktiker der SSB, dann durch die Aufsichtsbehörde für Seilbahnen, kurz Landesbergamt – kommen einige Überholungen, Erneuerungen und Umbauten: „Revision der Anlage zur Signalübertragung, frische Hydraulikschläuche, eingehende Wartung der Bremsanlagen, Revision des Getriebes in der Antriebsstation“, wie Rüdiger Walz aufzählt, der technische Betriebsleiter der Seilbahn. Alle Funktionen werden anschließend Schritt für Schritt durchgeprüft – „und alles wird genau in Protokollen vermerkt“, wie Walz betont: „Die Sicherheit kommt zuerst“. Das Gegenseil am Wagen 1 wird rein vorbeugend wieder neu befestigt.
Das geschieht im regelmäßigen Abstand von Jahren jeweils an einem der Befestigungskegel der beiden Wagen, so dass diese schrittweise systematisch erneuert werden. An den anderen Vergusskegeln wird jede einzelne Litze des Seiles per Klangprüfung auf ihre Zuverlässigkeit getestet. Die Universität Stuttgart durchleuchtet derweil das Seil induktiv, das heißt mit einem Magnetfeld, auf etwaige Risse. Selbst die Schreiner der Möhringer Hauptwerkstatt bekommen zu tun: Sie kümmern sich darum, dass die Holztüren der Wagen wieder exakt und leicht laufen. Parallel dazu bringen die die Lackierer der SSB die markante Außenhaut der Wagen – edles Teakholz – wieder zu gediegenem Schimmer, nachdem ihr Wind und Wetter und verschiedentlich auch Sprüher übel zugesetzt hatten.
Keine Schwellen-Angst
Parallel dazu mühen sich auf der bis zu 30 Prozent steilen Strecke die Mitarbeiter einer Gleisbaufirma: Sie tauschen an den Blechkästen zwischen den Schienen, welche die Seilrollen tragen, die eisernen Querschwellen aus, rund 60 Stück. Sie stammen noch aus dem Eröffnungsjahr 1929. Die eigentlichen Gleisschwellen waren schon im vor zwei Jahren getauscht worden, doch der Wechsel an den Rollenkästen ist noch wesentlich aufwändiger. Zudem muss praktisch alles in schweißtreibender Handarbeit vor sich gehen, Maschinen für den Einsatz auf solch einer steilen Strecke gibt es nicht, und eine Zufahrt für Lkw auch nicht. Um den Männern die schwerste Arbeit abzunehmen, werden die Seilbahnwagen am Morgen des ersten Baustellentages noch die neuen Schwellen herantransportieren und auf der Strecke verteilen. Ebenso werden mit ihnen am Schluss der ganzen Bauzeit, vier Wochen danach, die Altschwellen wieder eingesammelt.
Wenn die letzte Schwelle getauscht ist, sind nicht nur Dutzende Tonnen von Stahl bewegt worden, diesmal wird es auch Nikolaus Mock gefühlt leichter ums Herz: Mock ist Chef des Baubezirks III der SSB, in dessen Bereich auch die Seilbahn fällt. Damit ist Mock auch für den Oberbau der Seilbahn zuständig, also für die Gleise. Und weil der erfahrene Gleisbaumann demnächst in Rente geht, war es ihm ein besonderes Anliegen, nach den Schienen, die schon 2004 gewechselt wurden, nun auch den Tausch der Schwellen abzuschließen, die in dem feuchten Waldgebiet nach bald 90 Jahren allmählich ihre Nutzungsdauer hinter sich haben: „Das wollte ich noch hinbekommen.“ So sprechen Leute, die an der ihnen anvertrauten Aufgabe hängen. Mock sagt nicht viel, aber die Zuneigung zur ganz besonderen Bahn der SSB, der Seilbahn, merkt man ihm ebenso an wie Rüdiger Walz.
Hohe Herren aus Freiburg
Erst danach, nach diesem „schmutzigen Geschäft“, kommt dann auch noch die Generalreinigung von Wagen, Anlagen und Gebäuden, etwa um die zahlreichen Spinnweben in den offenen Bahnsteighallen herunterzuholen. In der letzten Arbeitswoche wird nochmals schwer geschleppt: Künstliche Gewichte türmen sich dann in den Wagen. Sie simulieren die Masse von Menschen, die sich bei größter Auslastung im Wagen drängen – und dann wird mit Absicht die „Schlappstellung“ des Seiles ausgelöst: Fangbremsprobe! Denn sobald die mechanische Anspannung des Seiles nachlässt, löst ein Mechanismus die Sicherheitsbremse aus, und der Wagen kommt sofort zum Stehen. Die letzte dieser Aktionen erfolgt, wenn die Vertreter der Landesbehörde für Bergbau aus Freiburg zugegen sind, denn formal unterstehen ihnen neben den Bergwerken und Förderbahnen auch die Seilbahnen, ob in der Luft schwebend oder auf Schienen.
Die Herren aus dem Badischen grüßen zunftgemäß mit „Glückauf“. Und wenn das letzte Glückauf verhallt ist, dann ist Rüdiger Walz – wie jedes Jahr – besonders glücklich: Dann hat er Brief und Siegel der Fachbehörde, dass „seine“ Seilbahn wieder „unter die Leute“ darf – für wieder ein Jahr, bis zur nächsten Revision. Die dauert dann wieder nur eine Woche. Und die schräge Bahn läuft wieder wie am Schnürchen. Jetzt aber, am 29. Juni, ist erst einmal der vorläufig letzte Betriebstag der Seilbahn. Und vier Wochen drauf, pünktlich zum Anfang der Schulferien, haben die einen frei – dafür muss dann die Seilbahn wieder „ins Geschäft“.
Schienenersatzverkehr mit Bussen
Von Montag, 30. Juni, bis Mittwoch, 30. Juli: Busverkehr anstatt der Seilbahn. Fahrt im 30-Minuten-Takt. Erste Abfahrt 9 Uhr ab Südheimer Platz, ab Waldfriedhof um 9.10 Uhr. Letzte Busabfahrt ab Südheimer Platz um 18 Uhr, ab Waldfriedhof um 18.10 Uhr. Ab 31. Juli, Ferienbeginn, fährt die Seilbahn wieder.
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