Pressemitteilung der SSB vom 30.07.2014
Wenn andere in die Ferien dürfen, muss sie wieder schaffen: Am Donnerstagmorgen geht die Seilbahn in Heslach wieder auf Tour. Hinter ihr liegen vier Wochen Pause, die aber für die Mitarbeiter der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) keinesfalls Pause bedeuteten, im Gegenteil: Es wurde geschraubt, gebuddelt, geschliffen, gepinselt und gemessen, dass es eine Freude war. Den Hintergrund bildete die nach zehn Jahren Betrieb übliche Zehn-Jahres-Revision, denn schon vor zehn Jahren, 2004, hatte die Seilbahn eine grundlegende Sanierung erfahren. Damals hatte sich die SSB auf Wunsch des Gemeinderates dazu entschlossen, die Seilbahn beizubehalten, obwohl die Europäische Union seinerzeit hohe bauliche und technische Auflagen für Seilbahnen beschlossen hatte.
Deshalb nutzte die SSB die diesjährige Sommerpause der Seilbahn für zusätzliche Arbeiten: Nicht nur die übliche Wartung und Prüfung, die sonst traditionell eine Woche braucht, wurde durchgeführt. Auch ein Umbau bei der Bremsanlage und kleine Reparaturen an den Wagenkasten standen auf der Liste. Auch optisch hat sich Auffälliges getan: Die Außenhaut der Wagen erstrahlt in frischem Glanz. Die Schreiner der SSB haben die ausgelaugte Oberfläche der Teakholzverkleidung angeschliffen und mit frischer Beize und Firnis versehen. Am Gleiskörper wühlten derweil Männer einer bewährten Baufirma, um die restlichen Querschwellen durch neue zu ersetzen. Der Hauptteil war schon im Sommer 2013 drangekommen. Damit ist die Seilbahn auch vom Gleiskörper her nun substanziell fit für die nächsten 80 oder 90 Jahre. Den Transport der Teile, sowohl neue Schwellen her wie alte Schwellen fort, mussten auch die Wagen der Seilbahn übernehmen – anders kommt man an die fast bis zu 30 Prozent geneigte Strecke nicht hin. Auch das 35 Millimeter starke Zugseil wurde Litze für Litze durchleuchtet. Zum Schluss kommen Prüffahrten mit Vertretern des Landesbergamtes. Wenn diese den erfolgreichen Verlauf mit Brief und Siegel bescheinigt haben, gilt die Genehmigung zum Betrieb wieder ein Jahr – bis zur nächsten Wartungspause.
Eigentlich „Zwillinge“: Seilbahn und Waldfriedhof
Eröffnet worden ist die Stuttgarter Standseilbahn im Jahr 1929, nach fast 20 Jahren Diskussion und Bemühungen. Seinerzeit war sie die erste derartige Bahn mit halbautomatischer Steuerung: Nicht mehr ein Maschinist musste das Tempo der Wagen regeln, das erledigten eine elektrische Schützensteuerung und ein massiver Motor mit einer dicken Schwungmasse von selbst. Doch jeder der beiden Bediener – je einer pro Wagen – muss jeweils eine Taste drücken, damit der Stromkreis geschlossen ist und die Wagen losfahren. Wenn nur einer alleine drückt, tut sich nichts – ein Beitrag zur Sicherheit. An dem Prinzip hat sich bis heute nichts geändert, auch wenn seit 2004 Elektronik und Computer für die Geschwindigkeit zuständig sind.
Eigentlich müsste die Heslacher Seilbahn so alt sein wie der Waldfriedhof Stuttgart. Denn der ist 1914 eröffnet worden, vor hundert Jahren. Und damals gab es keine andere leistungsfähige Verkehrsmöglichkeit als die Schiene. Am Streit, ob es eine Seilbahn oder gleich eine neue Straßenbahnstrecke von Heslach nach Degerloch werden solle, schieden sich jedoch die Geister – und nachdem der Erste Weltkrieg und die Wirtschaftskrise kamen, war das Thema neue Bahn vorläufig erledigt. Erst in den „Goldenen Zwanzigern“ rafften sich Stadt und SSB erneut auf. Bezahlt werden konnte die Seilbahn nur, weil man sich auf die kürzeste Linie mit dem geringsten Aufwand einigte. Anstatt einer schmuckvollen Touristenbahn im dekorativen Jugendstil, wie sie 1912 in Baden-Baden entstand und eigentlich als Vorbild für Stuttgart gedacht war, baute die SSB eine Einfachstausführung mit höchst schlichten Gebäuden und kubischen Wagen. Schön wurde die Bahn so nicht, aber zeitlos – das hat wohl ihren Bestand gesichert, während ihr badisches Gegenstück zwischendurch lange Zeit stillgelegt und eingemottet war. Die halbautomatische Antriebssteuerung und der Einsatz von Fahrscheinautomaten – der ersten in Stuttgart – schon 1929 waren kein technischer Selbstzweck, sondern zwingender Beitrag zur Wirtschaftlichkeit: Anstatt fünf Mann Personal, wie bis dahin bei solchen Bahnen üblich, kam die SSB mit zwei aus. Das senkte von Anfang an die Betriebskosten massiv. Freilich kann heute eine solche Bahn nicht mehr kostendeckend betrieben werden. Doch jede Art von Ersatzverkehr ist teurer: Wenn die Seilbahn einmal nicht fahren kann, winden sich Busse über die Karl-Kloß-Straße, das braucht länger. Kurz: Die Seilbahn ist auch in Zukunft durch nichts zu ersetzen.
„Stuttgart Cable Car“
Nicht nur die Fahrt als solche mit dem „Erbschleicherexpress“ ist ein Erlebnis, auch wenn es nur vier Minuten dauert: Rotbraunes Holz umgibt den Fahrgast, echte „Holzklasse“ spürt er unter dem Gesäß. Hören tut man fast nichts, denn die Wagen haben keinen Antrieb, der sitzt ja in der Bergstation. Lautlos gleiten die kantigen Gefährte dahin, wie von Geisterhand treffen sie sich minutiös in der Ausweiche, ohne dass einer der „Fahrer“ eingreifen muss. Durch kühlen grünen Wald geht die kurze Reise, im Winter hat man schönen Ausblick auf Heslach und seine an die steilen Hänge geschmiegten Häuserzeilen. Bei Schnee dient die Seilbahn – bei amerikanischen Touristen als „Stuttgart Cable Car“ bekannt – als Kletterhilfe für Schlittenfahrer, die die schattigen Waldwege zum Alten Schützenhaus als Abfahrt nutzen. Auch im Sommer ist die Seilbahn einen Besuch wert: Beliebt ist der Blaustrümpflerweg, der einen ausichtsreichen Ring durch den Stuttgarter Süden bildet und von der Bergstation der Seilbahn Richtung Zahnradbahn führt. Idyllisch ist der Joseflesweg, der einen Rundkurs durch enge Klingen, Wald und Wiese über Sonnenberg bietet und über die Waldgaststätte Sankt Josef zurückführt. Beide Wege sind ausgeschildert, den Prospekt der SSB erhält man bei der Seilbahn. Auch der Waldfriedhof selber ist eine Sehenswürdigkeit, ob mit Ehrengräbern oder Baumgräbern. Auch der Dornhaldenfriedhof, wenige Fußminuten östlich des Waldfriedhofs, birgt die Grabstellen einst sehr bekannter Personen. Die SSB bietet Führungen an, bei denen Seilbahn und Waldfriedhof erklärt werden. Die nächsten sind am 7. September und 5. Oktober. Anmeldung erbeten unter 07 11 / 78 85-26 87.
Fotos der Seilbahn-Sanierung (pdf | 864,45 KB)
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