Zumeldung zur Gegeninitiative zum Bildungs- zeitgesetz – Dörrobst statt Äpfel
ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft – Landesbezirk Baden-Württemberg Stuttgart, 7. August 2014
Leni Breymaier, ver.di Landesbezirksleiterin, zur Gegeninitiative der baden-württembergischen Arbeitgeber zum geplanten Bildungszeitgesetz:
„Die heute vorgestellten Initiativen der Arbeitgeber stehen in keinerlei Zusammenhang mit der geplanten Bildungszeit. Die baden-württembergischen Arbeitgeber bieten Dörrobst für Benachteiligte im Tausch gegen Äpfel für alle an. Erpressung ist kein Stilmittel der Demokratie und der Sozialpartnerschaft.
Für die Benachteiligten am Arbeitsmarkt aktiv zu werden ist gut. Oberste Priorität hat aber, möglichst allen eine ordentliche Erstausbildung zu ermöglichen. Die Ausweitung der Teilzeitausbildung ist eine schiere Selbstverständlichkeit und im ureigenen Interesse der Arbeitgeber; und ohnehin Teil des gemeinsam verabredeten Ausbildungspaktes.
Bemerkenswert ist, dass die Pläne bei genauem Hinsehen nur mit dem Brennglas zu entdeckende Verbesserungen für wenige bringen werden. Dafür sollen wir im Gegenzug auf ein Recht auf Bildungszeit verzichten, das in praktisch allen anderen Bundesländern seit Jahren und Jahrzenten mit gutem Erfolg und ohne Schaden für die Wirtschaft gilt und seit 1976 eigentlich verbindlich vorgeschrieben wäre.
Die Behauptung, die Bildungszeit erhöhe nur den Urlaubsanspruch, ist eine Diffamierung für engagierte Beschäftigte, die sich künftig mit der Bildungszeit auf eigene Kosten weiterbilden wollen. Die noch massivere inhaltliche Einflussnahme auf die Fortbildung der Lehrer an unseren Schulen als Wohltat zu verkaufen, ist schlicht und ergreifend frech.“
1976 hatte die Bundesrepublik Deutschland sich mit der Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 140 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) völkerrechtlich verpflichtet, eine bezahlte Freistellung zum Zwecke der Berufsbildung, der allgemeinen und politischen Bildung sowie der gewerkschaftlichen Bildung einzuführen. In anderen Bundesländern ist das seitdem selbstverständlich. Jetzt sind fast vierzig Jahre vergangen, ohne dass eine baden-württembergische Landesregierung dieser Verpflichtung nachgekommen ist. Die grün-rote Landesregierung hat im Koalitionsvertrag vereinbart, es nun endlich genau so machen zu wollen, wie fast im ganzen Rest Deutschlands.