Pressemitteilung der SSB
Drei festlich geschmückte, grün-weiße Omnibusse machten sich vor 85 Jahren von Stuttgart über Heslach auf den Weg: der Beginn der Busverbindung nach Eltingen und weiter nach Leonberg. Weil sie durchs Mahdental führte, bekam sie den Linienbuchstabe M. Mitte August 1929 begann der planmäßige Verkehr. Es war der zweite Omnibusanschluss für Leonberg, denn schon 1927 war die Buslinie L von Stuttgart über die Solitude zum Leonberger Marktplatz an den Start gegangen. Betreiber der Bustouren war der damalige Autoverkehrsverband Stuttgart (AVS), eine gemeinschaftliche Gründung der Landeshauptstadt und der umgebenden Landkreise, darunter auch der damalige Kreis Leonberg. Wenn man so will, war es der Beginn des direkten Engagements der Region Stuttgart für den Öffentlichen Nahverkehr. Auto war damals die gebräuchliche Bezeichnung auch für Omnibusse, der Begriff „Autoverbindung“ stand für die Buslinien, denn von einem eigenen Wagen konnte der Normalbürger damals nur träumen.
Die Betriebsführung der Busverbindungen lag bei der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB), die auch die Fahrzeuge betreute. Weil die Straßenbahnwagen der SSB gelb-schwarz-weiß waren, wie die Farben der Landeshauptstadt, einigte man sich für die regionalen Busse auf die Farbgebung grün-weiß, um die andersartige Trägerschaft zu verdeutlichen. Die Eltinger Linie war die dritte von insgesamt einem halben Dutzend Buslinien des AVS, das zeigt, für wie wichtig man diese Anbindung hielt. Hintergrund war sicherlich auch der steigende Bedarf an Arbeitskräften in der Landeshauptstadt mit ihrem Mangel an Wohnungen. Die Buslinien des AVS waren der Beginn des geplanten und systematischen Nahverkehrs außerhalb der Eisenbahnstrecken. Zuvor hatte es nur sporadische gewerbliche öffentliche Personen- beförderung auf der Straße durch Privatunternehmen gegeben, meist in hemdsärmeliger und sehr oft gefährlicher Betriebsweise mit alten Lastkraftwagen des Heeres und provisorischen Kajüten darauf. Ermöglicht wurde das Angebot durch Fortschritte in der Kraftfahrzeugtechnik, auch wenn die ersten Busse mit 22 Sitzplätzen und Motorleistungen von 60 PS noch bescheidene Vehikel waren. Bequeme Polstersitze bedeuteten für den Normalfahrgast, der aus der Eisenbahn bis dahin nur die „Holzklasse“ gewohnt war, aber eine große Verbesserung.
Die Reichsbahn ihrerseits war auch nicht faul gewesen: Gleichzeitig mit dem Antritt der ersten regionalen Buslinien nach Leonberg und Waiblingen setzte sie nämlich schmucke rot-weiße Benzol- oder Dieseltriebwagen auf diesen Strecken ein, somit auch auf der Schwarzwaldbahn bis Leonberg und Weil der Stadt. Diese fuhren schneller als die langen Dampfzüge und waren bequemer, ein dichterer Fahrplan mit Taktverkehr bot zusätzliche Verbesserung. Der Konkurrenzkampf zwischen Schiene und Straße war also voll entbrannt, jedoch mit dem Unterschied, dass die Busse nicht ihre Straßen selbst unterhalten mussten, die Bahn ihre Gleise jedoch schon.
Die Wirtschaftskrise von Ende 1929 schränkte aber auch die Lebensfähigkeit der neuen Linie M offenbar bald ein: Schon im Herbst 1931, nach rund zwei Jahren, endete der tägliche Betrieb. Nur am Wochenende wurde noch gefahren, später auch zusätzlich mittwochs, vermutlich zu Markttagen. Ab 1936 sahen die Sonntagsfahrten viele zusätzliche Benutzer: Die Großbaustelle der Rohrbachbrücke beim Glemseck als Teil der entstehenden Autobahn Heilbronn – Stuttgart, damals eine kleine Senstation, lockte scharenweise Ausflügler an. Auch nach ihrer Fertigstellung bildete die elegante Brücke eine gerne vermarktete Sehenswürdigkeit. So ist es kein Wunder, dass während des Sommers 1939, parallel zur Reichsgartenschau in Stuttgart, die Linie M täglich zwischen Stuttgart und dem Glemseck pendelte. Am Wochenende wurden auch Eltingen und Leonberg erreicht. Mit Kriegsbeginn verschwand die Linie komplett, die Wehrmacht beanspruchte die Busse mitsamt dem Treibstoff.
1949 ging Linie M erneut auf die gewohnte Tour, längst unter der Flagge der SSB. Der „Autoverband“ war schon 1936 aufgelöst worden. Erst 1978, mit dem Beginn des Stuttgarter Verkehrsverbundes, kam es zu einer grundlegenden Umorientierung: Die Linien L und M nach Leonberg bekamen die Ziffern 92 und 93 verpasst, gleichzeitig macht die Mahdentallinie seither ab dem Schattendreieck den Schlenker über Büsnau nach Stuttgart-Vaihingen und zur Universität. Seit 1994 sind beide Äste zur durchgehenden Linie 92 zusammengefasst, die jedoch in ihrem südlichen Verlauf in Heslach endet. Werktags ist die einstige Linie M vor allem bei Studenten beliebt, am Wochenende wird sie gerne von Ausflüglern zum Wildpark und Bärensee genutzt, denn sie bietet jede Stunde eine Verbindung, auch zwischen dem Herz von Leonberg und Alt-Eltingen. Geblieben sind welche der einsamsten, romantischen Haltestellen im Netz der SSB wie Waldfreibad, Bruderhaus oder Mahdental. Und die SSB geht mit der Zukunft: Zunehmend tauchen auf der Leonberger Verbindung die aktuellen Dieselhybridbusse auf, die abschnittsweise weder Lärm noch Abgase von sich geben und dann so gut wie lautlos elektrisch fahren.
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