Pressemitteilung der SSB vom 08.09.2014
Ein SSB-Linienbus hat am 9. September ein ungewohntes Ziel: An diesem Tag brechen die SSB-Bus- fahrer Johannes Hornemann und Dzafer Alic mit einem besonders beklebten Linienbus nach Berlin auf, um dort am Deutschland-Tag des Nahverkehrs am 10. September bei einer Großkundgebung zusammen mit über 60 Bussen anderer Verkehrsunternehmen aus Deutsch- land vor dem Deutschen Bundestag auf die prekäre und ungeklärte Finanzierungssituation im Nahverkehr aufmerksam zu machen. Die Aktion ist Teil der im vergangenen Jahr gestarteten bundesweiten Infrastrukturkampagne „Damit Deutschland vorne bleibt“, die das Ziel hat, den Finanzbedarf für die Sanierung der Verkehrswege in den Blickpunkt von Politik und Öffentlichkeit zu rücken.
Am 8. September verabschiedeten SSB-Vorstandssprecher Reinhold Bauer und SSB- Technikvorstand und Vorsitzender der VDV-Landesgruppe Baden-Württemberg Wolfgang Arnold die beiden Fahrer und den Bus zu ihrer Mission nach Berlin, nämlich dort auch auf die äußerst schwierige finanzielle Situation der SSB aufmerksam machen.
Werbung in eigener Sache zu machen, ist für SSB-Vorstandssprecher Reinhold Bauer mehr als dringend. Allein rund 40 Millionen Euro benötigt das Unternehmen jährlich, um die Infrastruktur zu erhalten. Dazu kommen Ersatzinvestitionen für Fahrzeuge. Reinhold Bauer: „Von der SSB erwarten die Kunden erstklassige Leistung. Bei drittklassiger Infrastruktur ist das aber unmöglich.“ Bauer weiter: „Die Finanzierungssituation ist das größte Problem im Nahverkehr, und auf diese bedrohliche und ungeklärte Lage müssen wir hinweisen.“ Der Nahverkehr sei bei den Bürgern als Alternative anerkannt und verankert, diese wirtschafts- und umweltpolitisch wichtige und gute Entwicklung dürfe nicht kaputtgemacht werden, so Bauer weiter. Immerhin nutzen täglich mehr als 1 Million Fahrgäste den Nahverkehr in der Region. Jahrzehntelang wurde bundesweit – mit Hilfe öffentlicher Zuschüsse – in den Ausbau des Nahverkehrs investiert. Nachdem Fahrzeuge und Anlagen jetzt in die Jahre kommen, sind Verkehrsbetriebe nun auf sich gestellt und sollen alleine dafür aufkommen.
Die SSB muss aktuell über 25 Kilometer Tunnel und über 130 Kilometer Stadtbahnstrecke instandhalten, die teilweise bis zu 50 Jahre alt sind. Außerdem hat das Unternehmen rund 160 Millionen Euro – ohne dass die erforderlichen Abstellanlagen finanziert sind – für neue Stadtbahnen bis 2018 aufzubringen, die nicht mehr von der öffentlichen Hand bezuschusst werden. Hinzu kommen jährlich zwischen 15 und 20 Busse, die ältere Busse ersetzen. Auch sind neue Zahnradbahnwagen dringend erforderlich ebenso wie die Einführung des digitalen Betriebsfunks, letzterer schlägt mit rund 20 Millionen zu Buche.
Als Vorsitzender der Landesgruppe des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmens (VDV) betonte der technische SSB-Vorstand Wolfgang Arnold, bei der SSB sei die Infastruktur derzeit noch gut in Schuss. Auf mittlere Sicht gesehen könne das Unternehmen aber die zu erwartenden steigenden Kosten der Instandhaltung nicht schultern, wenn es keine Zuschüsse gebe. Allein für die jüngsten Instandsetzungsmaßnahmen 2014 in der Heilbronner Straße, auf den beiden U3-Abschnitten und am Berliner Platz an Pfingsten hatte das Unternehmen rund fünf Millionen Euro aufzubringen.
„Die Verkehrsbetriebe stehen vor großen Herausforderungen“, so Arnold. Allein die barrierefreie Ausgestaltung der Bushaltestellen bis 2022 – vorgeschrieben im neuen Personenbeförderungsgesetz – wird bei der SSB zusätzliche Investitionen von drei Millionen Euro jährlich erfordern. Der weitere Streckenausbau oder auch die Beschaffung neuer Fahrzeuge und die Modernisierung betriebstechnischer Systeme werden dazu führen, dass die SSB zusätzliche Darlehen von mehreren hundert Millionen aufnehmen muss und sich damit die Verschuldung und Zinsbelastung verdreifacht.
Arnold verwies auf die Ergebnisse der Daehre-Kommission, die 2012 ermittelt hatte, dass bundesweit jährlich rund zwei Milliarden Euro für den Erhalt der Infrastruktur der Nahverkehrsbahnen fehlen. Eine Studie des VDV Baden-Württemberg hat 2011 ergeben, dass alleine für den Erhalt der Infrastruktur der städtischen Tram- und Stadtbahnverkehre in Stuttgart, Karlsruhe, Rhein-Neckar, Freiburg und Ulm jährlich 56 Millionen Euro erforderlich wären. Eisenbahnstrecken und Fahrzeuge sind darin noch gar nicht enthalten. Moderate Steigerungen bei den Ticketpreisen der Unternehmen würden die steigenden Kosten bei weitem nicht ausgleichen. Erforderlich seien die dringende Fortführung und der Ausbau bestehender Finanzierungsinstrumente wie das 2019 auslaufende GVFG-Bundesprogramm, sowie neue Finanzierungsinstrumente, egal ob PKW-Maut, Vignette, Nahverkehrsabgabe oder Mobilitäts- bonus
Die aktuelle Zuschuss-Situation
Die Förderung im Rahmen des Bundesprogramms des GVFG (Gemeinde- verkehrsfinanzierungsgesetzes) wird nach derzeitiger Rechtslage 2019 enden. Damit werden jährlich rund 332 Millionen Bundesmittel entfallen, die bislang für verkehrliche Investitionen in große ÖPNV-Projekte (über 50 Millionen Euro) im Bundeshaushalt eingeplant waren. Im Koalitionsvertrag wird zwar von einer Anschlussregelung gesprochen, allerdings ist unklar, ob diese tatsächlich kommt und wie diese ausfällt. Bei Vorhaben unter 50 Millionen Euro, die nur durch das Land bezuschusst werden, hat das Land die Fördertatbestände grundsätzlich beibehalten. Für die Beschaffung von Schienenfahrzeugen gibt es jedoch schon seit 2007 keine öffentliche Förderung mehr. Die Fahrzeugfinanzierung ist zwar Fördertatbestand, bleibt aber ausgesetzt, weil die Mittel fehlen. Inzwischen wurden in Baden-Württemberg die Förderquoten im Rahmen des Landes-Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (LGVFG) Baden-Württemberg deutlich von 75 auf 50 Prozent gekürzt. Für die SSB verdoppelte sich damit der Eigenanteil von 25 auf 50 Prozent.
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