Stuttgart
Präsident Lutz: „Regeln einhalten, Rücksicht nehmen und sich nicht ablenken lassen – das muss in den Köpfen wieder präsenter werden“
Weniger Verkehrsunfälle mit Personenschaden und ein deutlicher Rückgang der Anzahl der Verletzten bei gleichbleibend hohen Verkehrsunfallzahlen – dies sind die wesentlichen Eckpunkte der Verkehrsunfallbilanz 2016 der Stuttgarter Polizei. Im vergangenen Jahr ereigneten sich auf den Stuttgarter Straßen insgesamt 26.704 Unfälle in Stuttgart, zwei mehr als im Vorjahr (26.702). Davon waren 1.985 Unfälle mit Personenschaden (minus 7,5 Prozent), bei denen letztlich 2.537 Menschen verunglückten. Dies sind fast 9 Prozent weniger als noch in 2015 (2.778) und die geringste Anzahl an Verunglückten in den vergangenen 40 Jahren. Allerdings gab es mehr Schwerverletzte: nach 257 im Jahr 2015 ist mit 300 im vergangenen Jahr annähernd das Niveau von 2014 (301 Schwerverletzte) erreicht (plus 16,7 Prozent). Wie im Vorjahr verloren acht Menschen im Stuttgarter Straßenverkehr ihr Leben: Fünf Fußgänger, zwei Autofahrer und ein Verkehrsteilnehmer mit seinem Pedelec.
Statistisch betrachtet ereignen sich im Stadtgebiet jeden Tag 73 Unfälle, bei denen sieben Menschen zu Schaden kommen. „Die Verkehrsdichte ist enorm, gleichzeitig der Verkehrsraum eng und begrenzt und aufgrund von Baustellen permanent verändert. Die Vielzahl der unterschiedlichen Verkehrsbeziehungen und Verkehrsarten sowie die Informationsflut fordern offenbar trotz der technischen Verbesserungen ihren Tribut. Auch deshalb haben wir einen erneuten Höchstwert aller Unfälle in Stuttgart“, sagte Polizeipräsident Franz Lutz.
Die Hauptunfallursachen sind typisch für die Großstadt: Vor allem das Missachten der Vorfahrt sowie Fehler beim Abbiegen, Wenden oder Rückwärtsfahren liegen mit einem Gesamtanteil von rund 23 Prozent ganz vorne. Danach folgen Fehler im Abstandsverhalten und beim Fahrstreifenwechsel sowie Alkoholeinfluss. Zu schnelles Fahren – landesweit Hauptunfallursache bei jedem vierten schweren Verkehrsunfall – spielt in Stuttgart praktisch kaum eine Rolle: Nur bei jedem 50. Verkehrsunfall ist Geschwindigkeit die Unfallursache (2,0 Prozent).
Vieles unternimmt die Polizei, um den Regelverstößen im Straßenverkehr zu begegnen: Obwohl Geschwindigkeit in Stuttgart keine herausragende Unfallursache ist, bleibt unter anderem deren Überwachung eine zentrale Polizeiaufgabe. 17.462 Mal wurden Fahrer wegen Raserei angezeigt. Die Zahl derer, die erheblich zu schnell unterwegs waren und die deshalb ein Fahrverbot erwartete, stieg um 4,9 Prozent auf 898 Fahrer. Ein Augenmerk legten die Ordnungshüter wie immer auf die Alkohol- und Drogenproblematik im Straßenverkehr. Dabei braucht es gerade bei Fahrten unter Drogeneinfluss für das Erkennen ein sehr gutes Gespür. Das hatten die Polizisten bei sehr vielen Verkehrskontrollen und dabei 938 (2015: 1.014) alkoholisierte und 353 (2015: 302) unter Drogeneinfluss stehende Fahrer angezeigt. Polizisten haben im vergangenen Jahr 1.077 Rotlichtverstöße festgestellt (2015: 812, 2014: 666, 2013: 398). Bei rund 70 Kontrollaktionen mit Zielrichtung Handynutzung, Gurtpflicht und Helmpflicht stellten sie insgesamt 11.612 Verstöße fest (davon 5.549 Handy-Verstöße). Franz Lutz zeigte sich besorgt, wie viele Menschen sich beim Fahren und als Fußgänger durch elektronische Geräte ablenken lassen, nicht nur durch das Telefonieren an sich, sondern auch durch das Tippen oder Bedienen von Smartphones und anderen Geräten. „Es fehlen zwar verlässliche Zahlen zur Unfallursache Handy, wir gehen aber von einem hohen Dunkelfeld aus. Das Hantieren mit elektronischen Geräten am Steuer ist aber hochgefährlich und verantwortungslos. Dies muss den Verkehrsteilnehmern bewusst werden, sie müssen selbst die Regeln einhalten, sie müssen Rücksicht nehmen und dürfen sich nicht ablenken lassen“, forderte Lutz, denn, so der Präsident, der überwiegende Anteil der Unfälle habe seine Ursache in fahrlässigem oder gar vorsätzlichem Missachten der Vorschriften.
*** Fußgänger: Nachdem 2015 ein Rückgang der Unfälle mit Fußgängern um 24,2 Prozent auf 232 zu verzeichnen war, stieg die Zahl jetzt wieder an. Bei 268 Unfällen waren Fußgänger beteiligt (plus 15,5 Prozent). Nur bei sieben Unfällen blieb es beim reinen Sachschaden. Fünf Fußgänger starben, 174 wurden leicht verletzt, 66 schwer verletzt, das entspricht einer Steigerung von rund 32 Prozent. Bei zirka 40 Prozent der Fußgängerunfälle setzten die Fußgänger selbst die Ursache. Unachtsamkeit und Ablenkung sind auch hier wesentliche Einflussfaktoren. Niedrigste Unfallzahl in den letzten zehn Jahren bei Kindern: Nach einem Rückgang der Unfälle mit Kindern von 109 im Jahr 2014 auf 100 im Jahr 2015 ging die Zahl im Jahr 2016 erneut zurück. 94 Unfälle entsprechen einem Rückgang von sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 26 Kinder (2015: 23) wurden schwer und 121 leicht verletzt (2015: 149).
Kinderfußgängerschein – ein Beitrag zur Prävention: Alle Erstklässler in Stuttgart machen den „Kinderfußgängerschein“ und werden über die Gefahren und richtiges Verhalten im Straßenverkehr aufgeklärt. Auch das richtige Verhalten an Stadtbahnhaltestellen und Bushaltestellen wird geübt. Auf dem Schulweg gab es in diesem Jahr 19 Unfälle (2015: 25). Trotz dieses Rückgangs geht der Appell an die „größeren Vorbilder“, sich ihr Verhalten vor den Kindern ins Bewusstsein zu rufen.
Radfahrer: Anstieg der Radlerunfälle um 3,4 Prozent auf 453. 279 Radfahrer verletzten sich dabei leicht (2015: 299), 69 schwer (2015: 65). Bei 76 Unfällen verunfallten Radfahrer alleinbeteiligt. Lediglich 31 Prozent (2015: 32,3 Prozent) der Radler nutzten den Helm richtig, 41 Prozent trugen nicht einmal einen.
Stadtbahnen: 108 Unfällen mit Stadtbahnen sind eine Zunahme von zirka 11 Prozent. Der weit überwiegende Anteil dieser Unfälle wird durch Fahrzeugführer (71,3 Prozent) oder Fußgänger (19,4 Prozent) verursacht. Eine Rolle spielen die schweren Stadtbahnen, haben sie doch längere Bremswege. Unfallfluchten: Erschreckend: Bei beinahe jedem vierten Unfall ist demzufolge einer der Beteiligten geflüchtet. 2016 entfernten sich bei 5.906 Unfällen Beteiligte unerlaubt, ein Rückgang um rund 1,9 Prozent. Dies entspricht einem Anteil am Gesamtunfallgeschehen von 22,1 Prozent. ABER: Unfallflucht in Stuttgart lohnt sich nicht. 36 Prozent der schweren Unfälle und fast ebenso viele der Parkplatzrempler werden aufgeklärt und meist folgen schwerwiegende juristische Konsequenzen.
Der Bericht zur Unfalllage 2016 ist unter www.polizei-stuttgart.de sowie www.facebook.com/polizeipraesidiumstuttgart im Internet abrufbar.
Symbolfoto, Sabine