Ein Dorf mit 23 Stockwerken: Unterwegs mit dem Postboten in Stuttgart Asemwald

Posted by Klaus on 21st März 2018 in Allgemein, Fotos, Stuttgart

Presseinfo

Asemwald2Der Zustellbezirk Stuttgart-Asemwald, in dem Giulio Morelli die Post bringt, besteht aus gerade einmal drei Häusern. Das klingt winzig – und doch ist Morelli dort sechs Tage die Woche mehrere Stunden lang beschäftigt. Denn die drei Gebäude der Wohnstadt Asemwald sind bis zu 23 Stockwerke hoch und bestehen aus mehr als 1.100 Wohnungen.

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Jedes der drei Hochhäuser, deren Bau Anfang der siebziger Jahre abgeschlossen wurde, hat drei Eingänge mit je zwei Briefkastenanlagen, jede der 18 Anlagen besteht aus mindestens 62 Briefkästen. In Summe sind es weit über 1.100 einzelne Briefkästen, für die Giulio Morelli zuständig ist. Wenn Morelli sein Zustellauto am Rande des Quartiers geparkt hat und mit der Post vor einer der großen Briefkastenanlagen steht, muss er trotzdem nicht lange suchen, er hat die Namen auf den Kästen längst verinnerlicht. Das hat allerdings gedauert: „Ich habe den Bezirk vor zwei Jahren von meinem Vorgänger übernommen, der in den Ruhestand ging. Obwohl ich vorher schon gelegentlich als Vertretung hier war, habe ich gut sechs Monate gebraucht, bis ich alle Namen im Kopf hatte“, so Morelli. Die ungewöhnlicheren Namen hatte er sich schneller eingeprägt, aber bei so vielen Bewohnern gibt es immer wieder Namensgleichheiten, und dann müssen auch die richtigen Vornamen sitzen, damit niemand die Post des Nachbarn im Kasten hat. Das geht auf die Konzentration, gerade am Anfang: „Als ich hier als fester Zusteller neu war, habe ich ungelogen nachts von den Briefkästen geträumt!“, erzählt Morelli.

DP-DHL-PostboteIn seinem vorherigen Bezirk legte Morelli, der schon seit 25 Jahren als Zusteller arbeitet, bei seiner Tour teils 16 Kilometer zu Fuß zurück und stieg unzählige Treppen auf und ab. In Stuttgart-Asemwald sind die Wege kurz und zu den Wohnungen geht es mit dem Aufzug. Auch in dieser Beziehung ist Asemwald ein untypischer Zustellbezirk. Doch die Frage, ob hier mehr der Kopf als der Körper gefordert ist, lässt sich nicht ganz so eindeutig beantworten. „Ich habe in der Tat keine langen Wege hier und keine Treppen zu steigen, und ich arbeite im Trocknen, statt bei Wind und Wetter durch die Straßen zu ziehen“, so Morelli. „Aber dafür gibt es hier andere Belastungen: Wenn ich schnell bin, schaffe ich einen Eingang mit zwei Briefkastenanlagen in 15 bis 20 Minuten. Das heißt, ich arbeite verhältnismäßig viel im Stehen – und das kann für den Körper auch belastend sein“, so Morelli weiter. Deshalb achtet er mit speziellen Übungen darauf, dass er möglichst immer in Bewegung bleibt.

Foto,  Deutsche Post DHL Group – Die großen Briefkastenanlagen machen Giulio Morelli keine Angst: Er weiß inzwischen ohne nachzudenken, welcher Brief in welchen Briefkasten gehört. Bis es soweit war, hat es etwa ein halbes Jahr gedauert.

AsemwaldAuch wenn ihn die Arbeit in seinem Zustellbezirk mental und körperlich fordert, macht sie Morelli eine Menge Spaß. Das hat auch mit der Atmosphäre in der Siedlung zu tun. Wer hier von Hochhäusern auf großstädtische Anonymität oder gar sozialen Brennpunkt schließt, könnte nämlich falscher nicht liegen. Asemwald ist mit seiner idyllischen Lage am Waldrand fast so etwas wie ein Dorf in der Stadt: Man kennt sich untereinander, es gibt kaum Fluktuation, das Quartier hat ein Einkaufszentrum, zwei Kindergärten und sogar seine eigenen Tennisplätze in der Nachbarschaft. „Ich kenne mittlerweile viele der Bewohner persönlich und sie geben mir das Gefühl, dass ich dazugehöre“, erzählt Morelli. Nachdem sein Vorgänger, der jahrzehntelang die Post in Asemwald brachte, in Rente gegangen war, durfte sich Giulio Morelli als sein Nachfolger in der Quartierszeitung „Asemwald intern“ vorstellen. Viele der Menschen grüßen ihn mit Namen und freuen sich, wenn er ihnen die Post bringt. „Es geht richtig familiär zu, obwohl hier so viele Menschen leben“, betont Morelli. Asemwald ist eben ein in jeder Beziehung ungewöhnlicher Zustellbezirk.

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