Rotenberg oder Württemberg???
Vor ein paar Tagen erschien ein Beitrag in der Cannstatter Zeitung zu diesem Thema. Wir hatten 2009 einen Beitrag im Blog Wo steht die Grabkapelle???.
Nun wird es aber ganz geschichtlich 😉
Immer wieder erreicht uns Leser-Kritik wegen des Seitentitels „Blick vom Rotenberg“ in unserer Zeitung. Der Berg hieße doch schließlich Württemberg, lautet die häufige Belehrung. Und sollten wir mit dieser Seiten-Bezeichnung Bezug nehmen auf den unterhalb der Kuppe gelegenen Stadtteil Rotenberg, dann müsste es doch vielmehr grammatikalisch richtig heißen: „Blick von Rotenberg“. Wir klären an dieser Stelle auf: Der Titel „Blick vom Rotenberg“, den es in unserer Zeitung übrigens schon seit vielen Jahrzehnten gibt, hat nichts mit dem Stadtteil zu tun, sondern tatsächlich mit dem Berg. Er geht auf jene Zeit zurück, als die 410 Meter über dem Meeresspiegel liegende Erhebung noch Rotenberg genannt wurde – und an deren Fuß sich das nach ihr benannte Dorf (früher auch „Rodenberg“) schmiegte, das 1248 zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde. Erst seit 1907 heißt der Berg offiziell Württemberg. Per Dekret hatte König Wilhelm II. damals diesen Namen zum einzig richtigen erklärt. Denn dort stand im 11. Jahrhundert die Burg Wirtemberg, die Stammburg des Hauses Württemberg. Diese hatte sein Vorvorgänger allerdings im Jahr 1819 vollständig abtragen lassen. An ihrer Stelle ließ König Wilhelm I. ein prachtvolles Mausoleum, die Grabkapelle, für seine früh verstorbene zweite Frau, die Zarentochter Katharina Pawlowna, erbauen. Sie wurde 1824 fertiggestellt. Und weil der Volksmund noch immer Rotenberg sagt, wenn er den Württemberg meint, belassen wir den Titel für unsere Seite 5 so, wie er ist. eh
Falls es doch eines Beweises bedarf, dass der Württemberg einst der Rotenberg war, wie wäre es damit: Die romantisch gelegene Grabkapelle auf dem Berg fand recht schnell Eingang in die zeitgenössische Dichtung. So widmete auch ein Landsmann Königin Katharinas, der Lyriker Fjodor Iwanowitsch Tjutschew(1803-1873) aus Petersburg, dem damaligen Rotenberg eines seiner zahlreichen Gedichte. Als Mitarbeiter der russischen Gesandtschaft kam Tjutschew jung nach Deutschland, wo er mehrere Jahre tätig war. Vermutlich lernte er während dieser Zeit auf Reisen die Grabkapelle kennen. Sein Gedicht „Der Rotenberg“ wurde um 1835 von Ludolf Müller aus dem Russischen ins Deutsche übersetzt:
„Im Tal der Fluss. Auf steilen Hügeln.
An seinen Ufern wächst der Wein,
Und auf des Abendwindes Flügeln
Zieh´n Wolken hell im Sonnenschein.
Des Wandrers Blick, emporgehoben
Vom grünen Tal ins Himmelblau,
Sieht auf dem Bergesgipfel droben
der runden Kirche lichten Bau.
Hier kam zur Ruh der Strom
des Lebens,
Hier ist der Toten ernste Gruft,
Hier ist das Ziel des Erdenstrebens,
Und leicht und rein ist hier die Luft.
Still scheint hier die Natur zu lauschen
Auf ihres eignen Herzens Schlag,
Und Wind und Fluss und Bäume rauschen.
Ein Lied vom ewigen Feiertag.“ eh
Den Text dürfen wir mit freundlicher Genehmigung von Elke Hauptmann (Cannstatter Zeitung) hier veröffentlichen, herzlichen Dank
Fotos, Blogarchiv Klaus (Die Modelle sind im Ortsmuseum in Rotenberg zu besichtigen)