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Der Stv. Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl und Oberbürgermeister Fritz Kuhn haben am heutigen Donnerstag, 2. Juli 2020, eine Sicherheitspartnerschaft vereinbart, deren Basis das Zehn-Punkte-Programm „Stuttgart sicher erleben“ ist.
Innenminister Thomas Strobl und Oberbürgermeister Fritz Kuhn bei der Unterzeichnung der Vereinbarung. Im Hintergrund die Landespolizeipräsidentin Dr. Stefanie Hinz und der Stuttgarter Polizeipräsident Franz Lutz.
Rechte: Stadt Stuttgart, Fotograf: Piechowski/Lichtgut
„So eine Krawallnacht wie vom 20. auf den 21. Juni 2020 darf es nicht mehr geben, am liebsten nirgends, jedenfalls nicht mehr in Stuttgart. Es ist gut, dass jetzt entschlossen gegengesteuert wird. Kurzfristig werden jetzt an den Wochenenden die Polizeikräfte verstärkt, mittelfristig wird die Sicherheitspartnerschaft wirken, die ich der Stadt Stuttgart angeboten habe und die wir heute besiegeln. In Zeiten, in denen das Sicherheitsgefühl einer ganzen Stadt durch einen randalierenden, plündernden Mob erschüttert ist, ergreifen wir Maßnahmen für ein Mehr an Sicherheit. Mehr Sicherheit funktioniert nur über ein partnerschaftliches und verantwortungsbewusstes Engagement von Bürgerinnen und Bürgern, Stadt und Land. Diese Vereinbarung gehen wir heute ein“, sagte der Stv. Minister-präsident und Innenminister Thomas Strobl.
Oberbürgermeister Fritz Kuhn sagte: „Stuttgart ist eine sichere Stadt. Durch die Ausschreitungen hat das Sicherheitsgefühl aber gelitten. Des-halb vertiefen wir jetzt die Sicherheitspartnerschaft mit dem Land.“ Weil Kompetenzen klar gezogen und definiert werden, könne das Sicherheits-gefühl gesteigert werden. Kuhn weiter: „Stuttgart steht für Freiheit, Liberalität und Weltoffenheit. Um diese Werte zu schützen, werden wir nun schnelle Entscheidungen in Absprache mit dem Land und der Polizei treffen, und beispielsweise Videoüberwachung an Brennpunkten einrichten.“ Der OB betonte, Sicherheit und Freiheit seien keine Gegensätze, viel-mehr erfordere die Freiheit ein Mindestmaß an Sicherheit. Kuhn: „Nur wo es Sicherheit gibt, kann es auch Freiheit geben.“
Das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration und die Landeshauptstadt Stuttgart vereinbaren eine enge und intensive Zusammenarbeit insbesondere in folgenden Aktionsfeldern:
1. Brennpunktorientierte Präsenzstreifen und Kontrollmaßnahmen sowie Schwerpunktaktionen wie z. B. Fahndungstage
Die Polizei in Stuttgart stellt lageorientiert einen hohen Kräfteansatz für die „Sicherheitskonzeption Stuttgart“ (SKS) sicher und setzt hierzu lageabhängig zielgerichtet Kräfte des Polizeipräsidiums Einsatz ein. Dabei ar-beitet sie eng mit weiteren Partnern – insbesondere der Bundespolizei – zusammen und prüft niederschwellig die Möglichkeit gemeinsamer Einsätze sowie Zusammenarbeitsformen.
2. Schwerpunktaktionen gemäß des polizeiinternen Handlungsschwer- punktes SöR -Sicherheit im öffentlichen Raum
Alle verfügbaren Kräfte sind im innerstädtischen Bereich im Zuge von Fahndungstagen zu bündeln, um das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zusätzlich zu stärken. Hier können gezielt die Rauschgiftkriminalität, aber auch Verstöße gegen gewerbe- und jugendschutzrechtliche Vorschriften kontrolliert und sanktioniert werden. Die Kontrollen werden durch den Einsatz von Zivilkräften flankiert. Diese Schwerpunktaktionen umfassen auch An- und Abreisewege zu relevanten Zeiten am Wochenende.
3. Einrichtung einer spezifischen Ermittlungseinheit
Die Bearbeitung von Gewaltstraftaten und Straftaten gegen die öffentliche Ordnung in der Stuttgarter Innenstadt an den Wochenenden wird durch eine spezifische Ermittlungseinheit übernommen. Sie soll Personenkenntnis zu erlebnisorientierten Personengruppen gewinnen, die an den Wochenenden auch aus dem Umland in die Stuttgarter Innenstadt kommen, Intensivtäter identifizieren und alle Ermittlungsverfahren zentral bearbeiten.
4. Konsequentes Vorgehen gegen Intensivtäter
Die landesweite Konzeption zur Erkennung und Bearbeitung von Mehr-fach- und Intensivtätern Baden-Württemberg (MIT-BW) für Tatverdächtige ab 18 Jahren ist konsequent anzuwenden, um anwachsende kriminelle Karrieren frühzeitig zu erkennen und spürbar staatlich zu intervenieren. Auch einschlägige Delikte wie Widerstand gegen bzw. tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte, Landfriedensbruch, besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs werden hierbei in den Fokus genommen.
Bei ausländischen Mehrfach- und Intensivtätern werden begleitend Maß-nahmen aufgrund des bundesgesetzlichen Ausländerrechts durch den beim Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Würt-temberg angesiedelten Sonderstab Gefährliche Ausländer sowie den Regionalen Sonderstab Gefährliche Ausländer beim Regierungspräsidium Stuttgart koordiniert. Diese initiieren und koordinieren die für die Schaffung der Voraussetzungen zur Aufenthaltsbeendigung erforderlichen Maßnahmen.
Mit der Konzeption Jugendliche Intensivtäter (JUGIT) sind jugendliche und heranwachsende Straftäter unter dem Leitgedanken der Erziehung mit geeigneten Maßnahmen zu belegen. Eine enge, institutionalisierte Zusammenarbeit der mit Jugendkriminalität befassten Stellen (v. a. Staats-anwaltschaften, Jugendämter, Schulen und Polizei) wird angestrebt. Kriminalpräventives Engagement ist hierbei von besonderer Bedeutung.
5. Ausweitung der Handlungskompetenz des Haus des Jugendrechts auf das gesamte Stadtgebiet der Landeshauptstadt
Das bundesweit erste Haus des Jugendrechts wurde im Jahr 1999 in Stuttgart-Bad Cannstatt eingeweiht. Es ermöglicht, bei Jugendlichen durch individuelle Prävention und schnelle Aburteilung die Strafe auf dem Fuße folgen zu lassen – ein wichtiger Lerneffekt im Entwicklungsalter. Dies gelingt, da Jugendhilfe, Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht unter einem Dach Hand in Hand arbeiten. Diese Cannstatter Erfolgsgeschichte wird auf das gesamte Gebiet der Landeshauptstadt ausgedehnt.
6. Einrichtung eines Hauses der Prävention in der Stuttgarter Innenstadt
Das Bedürfnis der Menschen in der Stuttgarter Innenstadt nach polizeilicher Beratung und sozialer Betreuung ist sowohl tagsüber, als auch zu den Ausgehzeiten groß. Mit dem bundesweit einmaligen Haus der Prä-vention, soll eine über die Tageszeiten hinausgehende, niederschwellige Anlaufstelle für polizeiliche Beratung und Jugendarbeit geschaffen werden, die auch Schutzräume für gestresste Jugendliche bietet. In diesem interdisziplinären Ansatz ist auch die Schaffung eines Stützpunktes für die nächtliche Streetworkarbeit in der Innenstadt denkbar.
7. Prüfung der Einrichtung einer offenen Videoüberwachung und eines Beleuchtungskonzeptes
Die polizeilichen Erfahrungen zeigen, dass eine Videoüberwachung geeignet ist, öffentliche Räume sicherer zu machen. Deshalb werden Stadt und Polizei untersuchen, wo an erkannten Kriminalitätsbrennpunkten die Einrichtung einer offenen stationären Videoüberwachung erforderlich ist. Im Zusammenwirken mit dem Gemeinderat wird die Stadt Stuttgart die Finanzierung der erforderlichen Kameras sicherstellen. Bis zur Umsetzung einer stationären Einrichtung wird übergangsweise eine mobile Lösung angestrebt.
Durch Umsetzung eines Beleuchtungskonzeptes im Bereich Oberer Schlossgarten und Eckensee können darüber hinaus die Sicherheit er-höht und mögliche Angsträume beseitigt werden. Hierzu ist das bereits entwickelte Sicherheitskonzept des Ministeriums für Finanzen Baden-Württemberg, der Stadt Stuttgart und des Polizeipräsidiums Stuttgart zu finalisieren und umzusetzen.
8. Durchführung von öffentlichen Sicherheitskonferenzen
Öffentliche Sicherheitskonferenzen bilden ein Format für einen offenen Dialog. Sie sollen insbesondere zur Stärkung des Sicherheitsgefühls bei-tragen, Maßnahmen von Polizei und Stadt transparent machen und Fra-gen der Bürgerinnen und Bürger aufgreifen.
9. Prüfung von Alkoholkonsum- und Aufenthaltsverboten
Das Finanzministerium Baden-Württemberg hat in seiner Benutzungsord-nung bereits ein Alkoholkonsumverbot aufgenommen. Danach kann bei dauerhaftem Verweilen/Lagern und nachhaltigem Alkoholkonsum gegen alkoholbedingte Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorgegangen werden. Stadt, Land und Polizei werden prüfen, ob darüber hin-aus weitere Maßnahmen erforderlich sind.
Darüber hinaus ist im Einzelfall auch die Erteilung von Aufenthaltsverbo-ten als Maßnahme zur Verhinderung von Straftaten auf der Grundlage einer Gefahrenprognose unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu prüfen.
10. Zielgerichteter Einsatz des städtischen Vollzugsdienstes der Stadt Stuttgart
Neben Straftaten beeinträchtigen Ordnungsstörungen regelmäßig das Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger. Die Stadt Stuttgart gewährleistet den zielgerichteten Einsatz des Städtischen Vollzugsdienstes an erkannten Schwerpunkten im innerstädtischen Bereich zur frühzeitigen Feststellung von Ordnungsstörungen bei niederschwelligen Kontrollen.