Unfallstatistik 2021 für das Stadtgebiet Stuttgart
Trotz der zeitweisen Lockerungen in der weiter andauernden pandemischen Lage und einem wieder erhöhten Verkehrsaufkommen in Stuttgart, kam es wiederholt zu einer positiven Unfallentwicklung.
Das Wichtigste in Kürze
Mit 20.074 Verkehrsunfällen im Stadtgebiet Stuttgart geht 2021 erneut ein aus verkehrsstatistischer Sicht außergewöhnliches Jahr zu Ende. Im zweiten Pandemiejahr sanken die Unfälle nochmals um rund zwei Prozent und liegen damit zum dritten Mal seit 1998 unter der Marke von 21.000 Unfällen. Im Schnitt ereigneten sich somit pro Tag 55 Unfälle auf Stuttgarts Straßen, bei vier Unfällen sind Personen verletzt worden.
Polizeidirektorin Claudia Rohde, stellvertretende Leiterin der Schutzpolizeidirektion und ehemalige Leiterin der Verkehrspolizei zeigt sich mit der derzeitigen Entwicklung zufrieden: „Erfreulicherweise gab es auch im zweiten Pandemiejahr einen Rückgang der Unfallzahlen, insbesondere was die Zahl der Verletzten angeht. Auch wenn diese positive Entwicklung nicht mehr so deutlich ausfällt wie noch im Jahr zuvor“. Jedoch gibt sie zu bedenken: „Die pandemiebedingten Einschränkungen und Veränderungen sind mitverantwortlich für das gegenwärtig niedrige Unfallniveau. Nach Überwindung der Pandemie wird die Fortsetzung dieses positiven Trends aller Voraussicht nach so nicht mehr zu erwarten sein“.
Zahl der Verletzten im Straßenverkehr auf historischem Tiefstand
Im Jahr 2021 sind insgesamt 1.879 Menschen bei Verkehrsunfällen verletzt worden, was einem Rückgang von annähernd acht Prozent entspricht, womit sich der positive Trend der letzten Jahre fortsetzt und damit erstmals die Zweitausender-Marke unterschritten wurde. Bei den Schwerverletzten sank die Zahl beachtlich – von 273 auf 173. Auch bei den Leichtverletzten ist ein Rückgang von 1.767 auf 1.701 zu verzeichnen.
Die Zahl der im Straßenverkehr Getöteten ging von sieben auf fünf Personen zurück.
In einem Fall überquerte ein 50-jähriger offenbar alkoholisierter Fußgänger die Fahrbahn in der Charlottenstraße und wurde dabei von einem Auto eines 18-Jährigen erfasst. Der junge Fahrer war dabei vermeintlich mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs. Der 50 Jahre alte Mann verstarb wenige Tage später im Krankenhaus. Besonders tragisch war auch ein tödlicher Unfall in der Flachter Straße. Ein an der Ampel rückwärtsfahrender 41-jähriger Fahrer eines Betonmisch-Lkw übersah den dahinterstehenden 40-jährigen Kleinkraftradfahrer, der tödliche Verletzungen erlitt und noch an der Unfallstelle verstarb. Im Bruckwiesenweg überquerte ein offenbar verkehrsuntüchtiger Liegeradfahrer bei Rot die Fußgängerfurt und wurde dabei von einem Pkw erfasst. Der 57-Jährige erlitt tödliche Verletzungen. In der Rüdigerstraße Ecke Heidestraße missachtete ein 51-jähriger Autofahrer die Vorfahrt einer 56 Jahre alten Pedelec-Fahrerin und stieß mit ihr im Kreuzungsbereich zusammen. Die 56-Jährige erlitt derart schwere Verletzungen, dass sie noch an der Unfallstelle verstarb. In der Bergheimer Straße stürzte ein 61 Jahre alter Pedelec-Fahrer ohne Fremdeinwirkung. Er trug keinen Fahrradhelm. Durch die Schwere der Kopfverletzungen verstarb er wenige Tage später im Krankenhaus.
Hauptunfallursachen
Im Gegensatz zur landesweiten Hauptunfallursache überhöhte und nicht angepasste Geschwindigkeit bleiben im urbanen Raum Stuttgarts mit einem Anteil von 17 Prozent weiterhin Fehler beim Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren sowie die Missachtung der Vorfahrt die Hauptunfallursachen. Danach folgen Fehler bei der Fahrbahnbenutzung, Alkoholbeeinflussung, Geschwindigkeit, Fehler beim Fahrstreifenwechsel und Fehler beim Überholen. Alkoholbedingt kam es zu 211 Unfällen, was einer Zunahme von 14,7 Prozent entspricht. Unfälle, bei denen eine Drogenbeeinflussung festgestellt wurde, stiegen um 13,9 Prozent auf einen Wert von 41. Die Ursachen im zunehmend komplexer werdenden innerstädtischen Verkehr sind regelmäßig das Ergebnis von Fahrfehlern der Verkehrsteilnehmenden. Dabei spielen neben dem absichtlichen Missachten von Verkehrsregeln auch die nachlassende Aufmerksamkeit durch tägliche Routine oder verschiedene Ablenkungen, beispielsweise durch die Nutzung von Mobiltelefonen, eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Anstieg der Unfälle unter Alkohol- und Drogeneinfluss unterstreicht die Notwendigkeit einer hohen Kontrolldichte
Den 211 Unfällen unter Alkoholbeeinflussung standen 1.462 folgenlose Trunkenheitsfahrten ohne Unfall gegenüber. Zu den 41 Unfällen unter Drogeneinfluss kamen noch 915 Fahrten hinzu, die folgenlos blieben. Der jeweilige Anstieg der Unfallzahlen und die Ergebnisse der Kontrollen zeigen, wie wichtig es ist, die Kontrollintensität weiterhin hoch zu halten. Die Stuttgarter Polizei setzt hier sowohl im täglichen Streifendienst als auch bei gezielten Kontrollaktionen schon seit Jahren einen besonderen Schwerpunkt. Im Rahmen der Verkehrsüberwachung sind 4.238 Verstöße gegen die Gurt- und Helmpflicht festgestellt und zur Anzeige gebracht worden. Damit bewegt sich der Wert auf einem etwas niedrigeren Niveau als noch im Jahr zuvor mit 4.773 Verstößen. „Die um 1.268 auf 9.170 gestiegene Anzahl der Verstöße gegen das verbotswidrige Nutzen eines Mobiltelefons zeigt, dass die Verschärfung des Bußgeldkatalogs offenbar nicht zu einem grundlegenden Umdenken geführt hat“, mahnt Erster Polizeihauptkommissar Michael Saur, Leiter der Verkehrspolizei, an. 17.163 Anzeigen aufgrund der Überschreitung der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit bedeuten eine deutliche Zunahme um 16 Prozent. Obwohl die Zahl der gravierenden Geschwindigkeitsüberschreitungen insgesamt rückläufig ist, erhielten 661 Fahrerinnen und Fahrer ein Fahrverbot.
Unfallfluchtzahlen bleiben auf hohem Niveau
Im Falle des sogenannten unerlaubten Entfernens vom Unfallort blieben die Zahlen mit 4.574 Fällen im Vergleich zum Vorjahr in etwa konstant. Damit entfernten sich bei rund 23 Prozent aller registrierten Unfälle mindestens einer der Beteiligten vom Unfallort, ohne sich um die Folgen zu kümmern. Trotz der teils sehr aufwändigen Ermittlungsarbeiten konnten 40 Prozent dieser Unfälle mit Personenschäden und 30 Prozent dieser Unfälle mit Sachschäden aufgeklärt werden.
Trotz Zunahme des Radverkehrs sinkende Unfallzahlen
Die pandemiebedingten Einschränkungen rückten das Fahrrad weiter in den Fokus und bestätigten den anhaltenden Trend zu einer umweltbewussteren Wahl des Verkehrsmittels, insbesondere auch im Berufspendlerverkehr. Diese Tendenz wird auch bestätigt durch die Ergebnisse der stadtweit verteilten 15 Fahrradzählstellen, die eine deutliche Zunahme des Radverkehrs untermauern. Obwohl der Anteil der Radfahrenden im Straßenverkehr generell einen Zuwachs verzeichnet, war erfreulicherweise ein Rückgang der Verkehrsunfälle unter Beteiligung von Radfahrerinnen und Radfahrern um 22 Prozent auf 395 Unfälle feststellbar. Bei Verkehrsunfällen mit Beteiligung von Pedelecs blieb die Anzahl nahezu konstant bei 184 (+2), stellt damit aber auch gleichzeitig den Höchstwert der letzten fünf Jahre dar. Die erfreuliche Entwicklung bedeutet aber nicht gleichzeitig, dass die Verkehrssicherheitsarbeit der Polizei nachlässt. Insbesondere der aktuell in den Fokus der Öffentlichkeit gerückte Diskurs über die Einhaltung des Seitenabstands beim Überholen von Rad- und Elektrokleinstfahrzeug-Fahrenden beschäftigt auch die Polizei und findet im Rahmen der täglichen Überwachung des Straßenverkehrs wie auch bei Schwerpunktaktionen der Fahrradstaffel Beachtung. Eine bei der Stadt Stuttgart verankerte Arbeitsgruppe „Verkehrssicherheit Rad“ hat die Aufgabe, Unfälle mit Beteiligung des Radverkehrs auf infrastrukturelle Mängel hin zu untersuchen, um im Bedarfsfall Verbesserungsmaßnahmen auf den Weg bringen zu können. In der Arbeitsgruppe wirken neben sachkundigen Einwohnern auch die Polizei mit. Bei den Radfahrenden wurden 53% der Unfälle und bei den Pedelec-Fahrenden annähernd die Hälfte der Unfälle durch diese selbst verursacht. Darin enthalten sind 123 Unfälle, die ohne Verschulden Dritter und ohne erkennbare Mängel der Verkehrsinfrastruktur erfolgt sind. Die Hauptunfallursachen bei Rad- und Pedelec-Fahrenden sind neben der nicht angepassten Geschwindigkeit auch Alkohol- und Drogenbeeinflussung, das Missachten der Vorfahrt sowie Fehler bei der Straßenbenutzung. Unfälle unter Beteiligung des Radverkehrs führten oftmals zu schweren Unfallfolgen. Das zeigt sich daran, dass 36 Prozent aller Schwerverletzten auf den Radverkehr entfielen, drei endeten sogar tödlich. Bezüglich der Helmtragequote stellen wir fest, dass die Bereitschaft, auf freiwilliger Basis einen Fahrradhelm zu tragen, verbesserungswürdig ist. Die Tragequote liegt bei verunfallten Radfahrern bei 42 Prozent sowie bei verunfallten Pedelec-Fahrern bei 49 Prozent. Das Tragen eines Helmes verhindert zwar keinen Unfall, kann aber das Risiko einer schweren Kopfverletzung deutlich mindern.
Unfälle mit Elektrokleinstfahrzeugen stark gestiegen
Seit Inkrafttreten der Elektrokleinstfahrzeugverordnung im Jahre 2019 nimmt insbesondere die Zahl an E-Scootern im Stadtbild stetig zu. Dies zog eine deutliche Zunahme von Unfällen um 234 Prozent auf 147 nach sich. Demzufolge ist die Zahl der leichtverletzten E-Scooter-Fahrer von 22 auf 72 und der Schwerverletzten von 5 auf 17 sprunghaft angestiegen. Bemerkenswert ist ebenfalls, dass in 81 Prozent der Fälle die Fahrerinnen und Fahrer von E-Scootern jeweils auch die Unfallverursachenden waren. Die Hauptunfallursachen waren dabei die verbotswidrige Benutzung der Fahrbahn oder des Gehwegs, das Fahren unter Alkoholeinfluss, eine nicht angepasste Geschwindigkeit sowie Fehler beim Einfahren in den fließenden Verkehr. Die Polizeidirektorin betont: „Auffällig ist dabei, dass die Zahl der Unfälle zum Wochenende hin zunimmt, wo sich insbesondere auch das freizeit- und spaßorientierte Nutzungsverhalten in den Vordergrund spielt. Wir stellen immer wieder fest, dass mit den E-Scootern bewusst Fußgängerzonen verbotenerweise befahren oder die Fahrzeuge unter Alkoholeinfluss gelenkt werden. Hier besteht natürlich ein nicht unerhebliches Risiko für den Fahrer sowie andere Verkehrsteilnehmer“. Die Polizei hat dabei ein besonderes Augenmerk auf diese Thematik geworfen und intensivierte dementsprechend ihre Kontrollmaßnahmen. Dass dies von Erfolg gekrönt ist, zeigt, dass den 34 registrierten Unfällen unter Alkoholeinfluss sowie den zwei registrierten Unfällen unter Drogeneinfluss 573 folgenlose Fahrten unter Alkohol- und Drogeneinfluss gegenüberstehen. Darüber hinaus will die Polizei zusammen mit der Stadt in Gesprächen mit Betreibern mögliche Verbesserungen der Situation ausloten.
Unfälle mit Beteiligung von Stadtbahnen nehmen zu
Die Unfälle unter der Beteiligung einer Stadtbahn sind um 13 Prozent auf 89 Unfälle gestiegen. Dabei kam es am häufigsten zu Unfällen, wenn entweder die Vorfahrt missachtet wurde oder Fahrzeuge verbotswidrig über den Gleisbereich wendeten. Saur fügt hierzu an, dass an besonders unfallgefährdeten Örtlichkeiten aus diesem Grund Verkehrsüberwachungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Die Beamten zeigten den verantwortlichen Fahrzeugführen in diesem Zusammenhang deutlich die Gefahren bei solch riskanten Wendemanövern auf. Bei Fragen rund um das Thema Verkehr hält die Verkehrssicherheitsaktion „Gib Acht im Verkehr“ sowie das Referat Prävention beim Polizeipräsidium Stuttgart Informationen für Sie bereit. Der Bericht zur Unfalllage 2021 ist unter https://ppstuttgart.polizei-bw.de/statistiken/ abrufbar.
Archivfoto