Der moderne Blick des Amedeo Modigliani
Gastbeitrag von Nobert Klotz
Ein kurzes, intensives Leben mit tragischen Beziehungen zu selbstbewussten Frauen, ein unsteter Bohemien zwischen Erfolg und Scheitern, künstlerisch ein stilistischer Außenseiter und Einzelgänger. Die Fragestellung was Modiglianis Malerei bis heute ausmacht, wie sein individuelles Werk in die Kunst des 20. Jahrhunderts einzuordnen ist, erläuterte engagiert und kurzweilig den SportKultur Kunstfreundinnen und Kunstfreunden in der Stuttgarter Staatsgalerie, Kunsthistorikerin Tanja Mühlbrett.
In die gut bürgerlichen Verhältnisse einer weltoffenen jüdischen Familie 1884 in Livorno/Italien hinein geboren, entwickelte der stets kränkliche Amedeo Modigliani bereits in jungen Jahren seine künstlerische Ader. Magisch zog es ihn, wie viele andere ambitionierte Künstler auch, nach Paris, in die Stadt wo das Herz der Kultur an sich, der Musik, der Malerei schlug und er sich 1906 niederließ. Als intellektuell sehr beschlagener Zeitgenosse im Dunstkreis von Picasso, Toulouse-Lautrec, Rodin u.a. versuchte er sich mit seiner Kunst zu etablieren. Die Malerei war sein großes Thema, aber auch die Bildhauerei mit der er sich in den Jahren zwischen 1909 und 1914 intensiv beschäftigte. Mit der Zeit etablierte sich der attraktive junge Mann als Chronist eines neuen weiblichen Selbstbewusstseins. Jungenhaft, leger gekleidet mit kurzen Haaren traten die jungen, sich emanzipierenden Frauen – die „Femmes Garçonne“ – auf.
Modiglianis Portraits sind genauso wie seine sinnlichen Akte, figürlich aber nicht gegenständlich auf die Leinwand gebracht. Eine Ausstellung von Akten 1917 in einer Pariser Galerie, sorgte für einen gehörigen Eklat. Nackte Haut wurde zwar schon von den alten Meistern wie Rubens gezeigt, aber auf den Modiglianischen waren ganz akzentuiert Schamhaare zu sehen. Zu der Zeit mehr als mutig, absolut provokant und skandalös. Einige Bilder mussten daher entfernt werden, damit die Ausstellung unbehelligt weiterlaufen konnte. Die Antwort für die SportKultur Kunstfreunde auf die Eingangsfrage zum Ende der spannenden Führung ließ sich einfach zusammenfassen: Mit dem Brückenschlag zwischen moderner Kunst und vergangenen Kunstepochen leistete der zu seiner Zeit oft als Skandalkünstler titulierte Amedeo Modigliani, seinen herausragenden, ganz individuellen Beitrag in der Kunst des 20. Jahrhunderts.
Eine schwere Tuberkulose beendete am 24. Januar 1920 Modiglianis kurzes, aufregendes Leben. Zwei Tage danach stürzte sich seine 22-jährige Geliebte und Mutter einer gemeinsamen Tochter, die im achten Monat schwangere Jeanne Hébuterne in der elterlichen Wohnung aus einem Fenster im fünften Stock in den Tod. Nach vielem Hin und Her in Jeannes Familie, wurde sie zehn Jahre nach ihrem tragischen Ende an die Seite Amedeos auf den Pariser Friedhof Père Lachaise umgebettet.
Bereits kurz nach seinem Tode wurde die Bedeutung und Einmaligkeit des hinterlassenen Werks erkannt und bald darauf gut vermarktet. Seine etwa 400 bekannten Werke gehören heute zu den teuersten auf dem Kunstmarkt. Das Werk „Nu couché (sur le côté gauche)“ – „Liegender Akt (auf der linken Seite)“ ging 2018 bei Sotheby’s für 170 Mio. Dollar über den Tresen.
Info: Ausstellung „Modigliani. Moderne Blicke“ – Staatsgalerie Stuttgart noch bis 17. März 2024
Text und Foto Der 170 Mio.-Dollar-Akt in den Waschräumen der Damen und der Herren: Norbert Klotz