Deine Kartoffeln!
Unsere Kartoffeln! Es sollte Ehrensache sein für gute Deutsche wie uns, das rechte Wort nur richtig zu gebrauchen. Deine Kartoffeln! „Das Holokaust ist in das Geisterreich zu dringen ist das Holokaust ist Vorurteile zu besiegen, ist das Holokaust, das ist nicht des Deutschen Größe / Obzusiegen mit dem Schwert ist nicht das Holokaust und das sind deine Kartoffeln“. So unser Bannertext.
Hier wird er auf eine 18 Meter lange Folie übertragen, welche am 27. Januar 2008 als dem Tag der Befreiung von Auschwitz ab 14 Uhr vor dem Schillerdenkmal entrollt werden wird. „Mit unterthänigstem Hautschauern“ werden die Auflagen des Amts für Öffentliche Ordnung erfüllt, das Denkmal weder mit einem Spruchband zu behängen, noch mit Neckarwasser oder Babyöl zu behandeln. Flugblätter zu verteilen wurde mir ausdrücklich erlaubt, sowie eine Rede zu halten, obwohl ich beides gar nicht angemeldet hatte. Zur Freude also hoffentlich dieser „gefräßigen Majestät“ werde ich ein Pfund Kartoffelmehl mit dem geschöpften Neckarwasser zu einem Läpperbrei verrühren, während das Banner von vier Personen wie eine spanische Wand frei um den Denkmalsockel so gehalten wird, daß das auch den „Hungerwolf“ der Öffentlichen Ordnung besänftigen sollte. Doch das „eiserne Gewicht des widrigen Vorurteils, das schwer über dem Norden brütet, von der Stelle zu räumen, foderte einen stärkeren Hebel als den Enthusiasmus einiger wenigen“, die schon länger wissen, daß es dieser üblich gewordene Gebrauch des altgriechischen Begriffes holokáutoma (lat. holokaustum, dt. das Holokaust) für „das ganze Feueropfer“ als peinlich nasal amerikanisiert gesprochener „Holocoashd“ alias „der“ Holocaust alias Menschenmassenvernichtung fortan unmöglich macht, zu begreifen, was der Begriff bedeutet und was nicht. Was haben nur die Hohenpriester der Einzigartigkeit im düsteren Schimmer des dröhnenden Wortes vom „Zivilisationsbruch“ für lyotardisch verklügelte Spitzentüchleins erklöppelt, mit denen sie sich ihre Perlen von den Stirnen tupfen, die ausgeschwitzten Kondensate ihres Grübelns über die Unmöglichkeit, eines historisch verbürgten Geschehens zu gedenken, für das man zuvor die blackbox eines außerhistorischen Vakuums ersonnen hatte, um so die Singularität des Verbrechens (auch) als undarstellbar festzuhalten, die Unvergleichlichkeit des sich ja nur im Lande der Dichter und Denker entwickelt haben könnenden, absolut Bösen. Nicht an der naheliegenden Frage, was denn dann bloß ein „relatives Böses“ sei, schwitzen sie sich aus, sondern am selbsterzeugten Dilemma, wie man das Verbrechen, um seiner zu gedenken, dem besagten Vakuum entziehen – es folglich also auch historisieren oder darstellen kann – und es zugleich darin belassen, damit es dort auch weiterhin die unvergleichliche Einzigartigkeit begründe.
„Deutsche Größe“. So heißt der Titel des Fragments von 1801(?), aus dem die Worte stammen, die kursiv im Bannertext erscheinen. (Für die entsprechenden Gedicht-Bände der beiden einzigen Ausgaben, in denen dieser Entwurf auch ganz zu finden ist, existieren zur Zeit keine verlinkbaren Angaben sowohl des Metzler- als auch des Deutschen Klassiker Verlages. Deshalb hier die Adresse der Württembergischen Landesbibliothek.
Ganz wie gehabt indes im Schillerbrief sich eine Prophezeiung findet, die man in Deutschland gerne zu erfüllen scheint, denn man werde, so 1793, „ in anderen Weltteilen den Negern die Ketten abnehmen und in Europa den – Geistern anlegen“ werden. Es sind nur keine klirrenden Ketten mehr, schon gar nicht sind’s Gesetzesregeln, es ist die kuschwelweiche, lächelnd-smarte Ignoranz, in der zum Beispiel von der Leitung eines Stuttgarter Gymnasiums mein Anliegen ausgebremst worden war, Oberstufenschüler dafür zu gewinnen, beim Weiterführen dieses Blogs bis zum Gedenktag hin auch selber mitzumachen, indem ich eine Stunde in die Klasse käme und von all dem hier erzählte. Doch dies sei „unbedingt nur möglich, wenn gerade auch ein Unterrichtszusammenhang gegeben“ sei. Als ob bei einer solchen täglichen Medienpräsenz dieses staatstragenden Themas tatsächlich „unbedingt“ notwendig wäre, daß „uns Adolf“ auch gerade dann auf dem Unterrichtsplan stehen müsse, wenn jungen Bürgern zu verstehen gegeben werden soll, warum am 27. Januar 2008 am Schillerdenkmal der Befreiung von Auschwitz gedacht, sowie auch das verstanden werden will, was das Holokaust ist. Das Holokaust das ganze Feueropfer. Was wurde wem geopfert? Worin besteht die Singularität? Worin liegen die Anmaßung des Bloch’schen Denkmalsspruches „Niemals wieder“ und die schielende Gedankenwurschtigkeit des Mantras vom „Erinnern“ und der „Wiederholung“? Was heißt Shoah und was nicht, was geistige Symbiose? Das sind deine Kartoffeln. „Wer nicht denken will, fliegt raus“ (Joseph Beuys).
Verantwortlich für den Inhalt und Text Gerhard Wagner
Fotos Ch. Hausmann, K. Rau
Sehr geehrter Herr Krauss!
Haben Sie dank für Ihre Brief, den ich der Reihe nach beantworten und deshalb damit beginnen möchte, daß ich mit den Juden nicht die von Ihnen angeführte Präzisierung, sondern die gebräuchliche Verwendung gemeint habe. Schön auch Ihre Vergegenwärtigung jüdischer und waldensischer Vergangenheit Ihres Wohnorts. Die Viertele Ihrers „Großbottwarer Harzberges“ lassen mich an meinen lieben Chatzitheodorou Giorgios denken, der jedes Viertele ablehnt, weil er lieber drei Achtele trinkt.
Damit, wie es bei einer solchen Geistestradition zu einer solchen Entwicklung hatte kommen können, befasse ich mich (nicht erst) seit 1990. Das hat sich in vier (unveröffentlichten) Texten niedergeschlagen, in denen ich versuche, künstlerische mit denkerischen Weisen ineinander zu gestalten. Hinzu kommt das Vorhaben des 27. Januar 2008 als dem Auschwitzgedenktag ab 14 Uhr am Schillerdenkmal. Diese Gedenk-Aktion verstehe ich nicht anders als Auftakt eines nun fünften Textes, wie ich es1990 mit einer kleinen Inszenierung eines Liedes der „Antigone “ des Sophokles auf dem Großen Gasbehälter für den Ersten getan hatte. Es folgten (ohne Aktionen) drei weitere Texte zum selben Thema: „Seit mehreren Jahren arbeitet Wagner an einem umfangreichen Werk über das Leben um den Gaisburger Gaskessel vor dem Hintergrund der Nachwirkungen des Nationalsozialismus“. Einem Nationalsozialismus, könnte man im Wikipedia-Eintrag zu meiner Person fortfahren, „den er aus geschichtsphilosophischen Gesichtspunkten zu verstehen sucht, die er beim philosophischen Schiller und in den Vorlesungen des späten Schelling gewonnen hatte“.
Es ist schwierig, ein vom Zeitgeist so abweichendes Verständnis der Geschichte in eine so von immergleichen Meinungsbildern angesättigte Öffentlichkeit zu bringen. Als allenthalben gänzlich von der Hitlerzeit verschüttet habe ich den Kosmopolitismus jener bester Deutscher im Bewußtsein meiner Zeitgenossen erlebt. Abgesehen von Spezialisten für Geistesgeschichte habe ich zwischen gymnasialer Oberstufe und Kulturbetriebsangehörigen, Redakteuren und Bundespolitikern kein(e)n einzig(e)n erlebt, dem die besagte Geistesweltelt in irgendeiner Weise präsent gewesen wäre. Für einen Bundespräsidenten war diese Geisteswelt in seiner Antrittsrede ein Ausdruck für „verwirrte Gefühle und romantische Grübeleien“, ein paar Jahrzehnte vorher hatten jene Schellings oder Schillers dem Reichspropagandaminister als „Träumer und Phantasten“ gegolten. „Gar nicht erst ignorieren“, das scheint die Parole der von der „Gnade der späten Geburt“ besonnten Nachgeborenen zu sein, unter denen sich die Zahl der Widerstandskämpfer mit wachsendem Abstand so vergrößert wie die Gestalt des Herrn Tur Tur aus „Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer“.
Solchermaßen ermutigt, habe ich mich im Sommer 2007 dazu entschlossen, es doch mit einem neuen Text noch einmal zu versuchen, um so zu dem zum November 2009 bevorstehenden 250. Geburtstag Schillers ein Beispiel dafür vorzulegen, wie uns dieser Autor heute was nur sagen könnte oder würde, wenn er denn auch ohne solchen Anlaß überhaupt gelesen werden wollte. Gelesen zu einer Zeit, da inzwischen das, was in Gestalt der Schlägerschnauze vom „Scheiß-Deutschen“ nur die Spitze eines unter muslimischen Zuwanderern verbreitet herangefrorenen konsensuellen Eisbergs bedeutet, sich nicht wirklich so wie einst die Juden einleben zu wollen, so daß es auch unter nicht der Unterschicht zugehörigen Muslimen als paedagogicae ultima ratio gilt, um des Propheten willen „nur ja nicht zu deutsch sein“ zu sollen, wenn Väter danach trachten, ihre heranwachsenden Töchter durch eine starke Mahnung im Griff zu behalten. Auch war mir auch nach einer zwei Jahre angedauert habenden, inzwischen glücklich abgebrochenen, allmorgendlich bei Schwarzem Tee und ebensolchen Zigaretten gepflegten Lektüre einschlägiger „Perlentaucher“-Debatten kein neuer Ibn Rushd begegnet.
Was wohl Schelling oder Schiller dazu sagen würden, wenn sie mitbekommen hätten, wie ihr bestes Deutschtum von besten deutschen Juden anverwandelt, und selbige schon bald danach in fettrückführungsoptimierten Öfen verbrannt worden waren, um danach von sündenstolzen Heizerssöhnen und Heizerssöhninnen in einer gemeingefährlich anmaßenden Wiedergutmachungspose durch Massen von bildungsfernen orientalischen Unterschichten ersetzt zu werden?
So wie sich die hier im Blog entbotene Sicht auf das Werden der Schillerdenkmalsaktion naturgemäß beschränken muß, wird sich am 27. Januar nur eine symbolische Handlung ergeben können, deren deren Objekt angemessen darzustellen einem längeren Text vorbehalten bleibt. Ihr Spott, Herr Krauss, den Sie den verantwortlichen „politischen Zitronenfaltern“ zukommen lassen, ist milde. Zu Schillers Zeiten hätte man diese Helden für ihre sogenannte Einwanderungspolitik wegen Hochverrats an den Galgen gebracht.
Mit Ihrem abschließenden Glückwunsch treffen SIe den Nagel schon ziemlich voll beim Kopf: „Zur rechten Zeit am rechten Ort das rechte zu tun“ ist laut Joseph Beuys eine Gabe, aus der „jeder Mensch ein Künstler ist“ oder sein kann, welche Botschaft wie keine andere aus der Geschichte deutscher Kunst bis heute von allen im Munde geführt und von keinem auch gekaut, sprich recht verstanden wird. Am 23. Januar wird seines 87. Geburtstages von diesem alles so „spannend“ findenden Kulturbetrieb natürlich nicht gedacht werden. Warum auch? Ist er doch erst in dreizehn Jahren dran. Ob aber Ihr „Großbottwarer Harzberg“ ein Trollinger oder Schiller oder Dornfelder oder gar ein Riesling sei, fragt Sie Ihr
Gerhard Wagner.
[…] Ort, zu einem solchen Anlaß plant. So ähnlich muß es auch der Direktorin eines Gymnasiums ergangen sein, die mein Anliegen, dieses Vorhaben einer Oberstufenklasse vorzustellen, mit der […]