Europäisches Naturschutzrecht gilt auch für die Bahn!
Anfrage der Stadträtinnen/Stadträte – Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN
Das Eisenbahnbundesamt (EBA) hat im August 2012 erwirkt, dass ca. 25 Großbäume mit Juchtenkäfervorkommen am Ferdinand-Leitner-Steg nicht gefällt werden dürfen.
Der Juchtenkäfer ist eine nach Europäischem Recht strengstens geschützte Art – es besteht ein Tötungs- und Zugriffsverbot. Darunter fallen neben den Tieren selbst auch deren Ruheund Fortpflanzungsstätten.
Beim Juchtenkäfer sind dies ganz spezielle Baumhöhlen in sehr alten Großbäumen, wie z.B. Platanen. Der Schutz des Juchtenkäfers steht stellvertretend für eine ganze Reihe von anderen seltenen und geschützten Arten, die auf Baumhöhlen angewiesen sind, z.B. diverse Fledermausarten, Dohlen, Hohltauben etc.
Für die aktuellen Auflagen des EBA, verbunden mit dem Fällverbot der alten Bäume, ist die Bahn verantwortlich. Sie hat jahrelang bei den zwingend vorgeschriebenen artenschutzrechtlichen Untersuchungen geschlampt und die Vorgaben nicht ernst genommen. Diese mangelnde Sorgfaltspflicht der Bahn trifft nun die SSB, die gezwungen ist, die unterirdische
Stadtbahnstrecke zwischen den Haltestellen Staatsgalerie und Hauptbahnhof umzuplanen.
Mit einer frühzeitigen und fachgerechten artenschutzrechtlichen Untersuchung hätte die Bahn schon vor Jahren verhindern können, dass die Planungen der SSB in eine falsche Richtung laufen.
In der Sitzung des Umwelt- und Technikausschusses vom 28.01.2013 berichtete SSBVorstand Arnold, dass die SSB nicht bereit sei, den vom EBA geforderten Umplanungen nachzukommen. Er begründet dies mit den sich dann ergebenden engeren Kurvenradien, die vor allem einen höheren Verschleiß bedeuten und zu einem schlechteren Fahrkomfort
führen würden.
Dieser Argumentation können wir nicht folgen. Wenn Stuttgart 21 mit seinen technischen Herausforderungen realisierbar sein soll – wie z.B. der Nesenbachdüker – dann muss es für dieses Detailproblem der Stadtbahntrassierung auch eine technisch machbare Alternative geben.
Durch die Baumfällungen im Mittleren Schlossgarten im Zuge von Stuttgart 21 wurde die dortige Juchtenkäferpopulation stark geschwächt. Ein weiterer Verlust von Habitatbäumen wäre für sie Existenz bedrohend und es läge ein klarer Verstoß gegen Naturschutzrechte vor. Die Forderung der SSB, woanders Schutzzonen für die Juchtenkäfer einzurichten, ist praktisch unmöglich, weil die zum Teil über 150 Jahre alten Großbäume nicht verpflanzbar sind. Auch die Pflanzungen von Jungbäumen stellt keine Ersatzmaßnahme dar, weil die entscheidenden Baumhöhlen mit einer ganz bestimmten Mulm-Konsistenz fehlen.
Wir beantragen daher:
1. Die Bahn wird aufgefordert, umgehend darzulegen, wie die Planungen verändert werden müssen, um dem Naturschutzrecht zu entsprechen.
2. Die SSB AG legt dar, ob die veränderten Pläne von ihr umgesetzt werden können und den berechtigten Ansprüchen der SSB gerecht werden.
Unterzeichnet:
Clarissa Seitz Peter Pätzold