Die Geschichte in der Geschichte – Prototyp Neoplan N 424 in Landshut an der Isar

Ein Bericht von Achim Woisetschläger

Doppeldecker auf der Linie 42Im Jahre 1953 wurden in der niederbayerischen Regierungshauptstadt Landshut an der Isar neben Obussen und Obusanhängern die ersten zwei Dieselomnibusse vom Typ Büssing 6000 T eingesetzt. Nachdem Mitte der 60er Jahre die Obusse und Obusanhänger aus betriebswirtschaftlichen Gründen aufs Abstellgleis geschoben werden mußten – Diesel war mittlerweile genauso „günstig“ zu bekommen, wie Elektrizität. Teure Instandhaltungsmaßnahmen für Oberleitung und auslaufende Ausnahmege- nehmigungen zum Betrieb der Busanhänger ließen den Obus in Landshut sterben. 1966 endete mit dem Betrieb elektrischer Busse auch die Ära der kapazitätserweiternden Omnibusanhänger. Seitdem waren Landshuter Stadtbusse nur noch solo unterwegs. Die Fahrgastzahlen nahmen bis Ende der 80er Jahre so stetig zu, daß sich der Verkehrsbetrieb der Stadt Landshut recht spät mit der Thematik der Kapazitätserweiterung erneut auseinandersetzen mußte, um dem morgendlichen, mittäglichen und nachmittäglichen Schüler- und Berufsverkehr Herr zu werden. Ende der 80er Jahre mußten deshalb verschiedene Großraumsysteme erprobt werden:

 

Neoplan-Prototyp1-Vorführwa Neoplan-Prototyp-VorführwagAls erstes sollte ein von Neoplan zur Verfügung gestellter Doppeldeckbus vom Typ N 424 im Vorführfarbkleid der Stuttgarter Straßenbahn (SSB) getestet werden, der den Landshutern natürlich auffiel. Noch nie hatte es so etwas in der 60.000 Einwohner-Stadt gegeben! Ein Bus ganz in Weiß mit gelben Streifen und zweimal so hoch wie ein normaler Stadtbus! Die Fahrgäste haben den Doppeldecker eifrig getestet und waren begeistert. Ein jeder wollte oben und natürlich vorne sitzen! Der Betriebsdienst hingegen war gar nicht begeistert. Denn ein Fahrer manövrierte das mit über vier Metern ungewohnt hohe Fahrzeug in Richtung Tankstelle mit viel zu niedrigem Vordach. Resultat: ein stark beschädigtes Oberdeck. Darüber hinaus hätte ein Doppeldeckbus in Landshut auf der damals schon stark frequentierten Linie 6 den Nachteil gehabt nicht freizügig einsetzbar zu sein – damals führte die Linie durch das nicht allzu großzügig bemessene Ländtor aus dem 13. Jahrhundert, welches in der damaligen Zeit eines von acht Stadttoren war.

Nachdem Landshut über sich hinausgewachsen ist, ging es dieses Mal in die Länge. Nun aber in zwei Teilen und mit Drehgelenk. Ab 1990 wurden mehrere Gelenkbusse getestet: Erster Kandidat war ein MAN vom Typ SG 292 in schicker silberner Vorführlackierung mit mittelblauen und orangen Absetzstreifen, die über den Radläufen nach oben gezogen waren. Auch dieses „ungewöhnliche“ und schicke Fahrzeug fiel auf den „Streets of LA“ auf und wurde eifrig von den Fahrgästen „probegefahren“. Ein wenig später wurde das Konkurrenzprodukt in Form eines O 405 G im Münchner Design aus dem Hause Mercedes-Benz getestet. Die Tests wurden erneut aufgenommen, als die ersten Niederflurbusse zur Verfügung standen. So wurde ein weißer Mercedes-Benz O 405 GN erprobt, wie auch ein Neoplan N 4020 NF in Elfenbein mit „Knick“ in der Fensterlinie – letzterer wies bereits einen podestlosen Vorderwagen auf und war mit zwei elektrischen Rollstuhlrampen an Vorder- und Mitteltüre ausgestattet.

Die Anzahl verrät es: offenbar war nun endlich das für Landshut am besten geeignete Fahrzeug gefunden, um das Erbe der alten Obusanhänger anzutreten die vielen Fahrgäste in Stoßzeiten wegzubringen. Doch auch mit den 18-Meter-Fahrzeugen gab es zunächst Probleme, da (noch) nicht überall gewendet werden konnte. So auch auf den genannten viel frequentierten Linien 6, 3, 1 und an einigen Schulen im Stadtgebiet.

Es dauerte noch genau bis zum 08.10.1993 als Landshut ENDLICH bereit war für Gelenkbusse. Die wurden von den Fahrgästen sicher sehnlichst erwartet, herrschte in den Solobussen im Berufsverkehr und in den Schulbussen drangvolle Enge. Bei den Gelenkbussen handelte es sich jedoch nicht um die zuvor getesteten Typen, sondern um zwei NG 272 (A11) aus dem Hause MAN. Auch sie wiesen einen podestlosen Vorderwagen mit „Knick“ in der Fensterlinie auf. Doch bis die Gelenkbusse zum Einsatz kamen, dauerte es noch etwas. Nur sporadisch wurden die “Neuen” auf Schulbuslinien und vor allem im Liniendienst eingesetzt.

Heute, 20 Jahre später, schmunzelt man darüber und erzählt sich in Busfahrerkreisen, daß die Gelenkbusse anfangs vom Personal und der Wagendisposition ungeliebt gewesen seien. Man wußte zu der Zeit nicht so recht, was man mit den neu zugeteilten Fahrzeugen anfangen sollte. Das Personal riß sich nicht besonders mit den als überaus lang und ungewohnt empfundenen Bussen zu fahren. Einer davon landete sogar recht schnell im Graben.

Doch der Gelenkbus etablierte sich in Landshut und wurde um Fahrzeuge aus dem Hause MAN und Neoplan erweitert. Scheinbar war die Prüfung der verschiedenen Systeme Doppeldeck- und Gelenkbus aber immer noch nicht abgeschlossen, denn Mitte der 90er Jahre waren erneut zwei Neoplan in der niederbayerischen Hauptstadt zu Gast. Dabei handelte es sich wieder um einen Prototypen von Neoplan. Dieses Mal jedoch um ein 15 Meter langes Fahrzeug mit insgesamt drei Achsen. Es muß nicht besonders betont werden, daß auch der lange Wagen ohne Gelenk etwas Außergewöhnliches und bisher Einmaliges im Stadtverkehr in der ehemaligen „Solobusstadt“ Landshut war. Beim Personal war der Dreiachser vom Typ Neoplan N 4020/3 „Megatrans“ überhaupt nicht beliebt, da bei Ausfahrt aus einer Gasse in die Altstadt das Heck durch die gelenkte Nachlaufachse derart um die 90-Grad-Kurve schob, daß Passanten dem Heck gefährlich nahe kamen – oder eben umgekehrt. Man hört in Busfahrerkreisen, daß Passanten regelrecht auf die Seite sprangen. Der Wagen war im neuen Schema Weiß-Verkehrsrot des Verkehrsbetriebs der Stadtwerke Landshut lackiert. Etwas später folgte dann ein weiterer Neoplan „Megatrans“ im Berliner Gelb als Vorführwagen. Auch diese beiden Großraumfahrzeuge waren natürlich im vorderen Wagenteil podestlos ausgeführt.

Heute – über 20 Jahre später – ist man in Landshut bei Gelenkbussen geblieben. Der erste der beiden Gelenkbusse wurde im Sommer 2012 ausgemustert und befindet sich in privater Sammlerhand. 2013 wurde auch der zweite und letzte Vertreter der ersten Gelenkbusfraktion in Landshut ausgemustert. Er befindet sich heute als Ersatzteilspender in Augsburg. Ob der Prototypdoppeldecker der SSB auch so ein gutes Ende gefunden hat?

Das war sie nun, die Geschichte in der Geschichte zum Einsatz des Neoplan Prototyp-Doppeldeckers vom Typ N 424 im Einsatz beim Verkehrsbetrieb Landshut.

Achim Woisetschläger

Wir bedanken uns ganz herzlich für diesen Beitrag der bestimmt einige Busfans begeistern wird.

Viele Grüße nach Landshut

Zu Foto 002: Das Foto zeigt den Vorführwagen auf der Linie 1 Kumhausen – Nordfriedhof u. z. an der Endstation Nordfriedhof in der Vorweihnachtszeit des Jahres 1990, 1991, oder 1992. Gleich wird das für Landshut außergewöhnliche Fahrzeug seine Fahrt über die Bayerwaldsiedlung, den Hauptbahnhof und die Alstadt nach Kumhausen fortsetzen.
Zu Foto 005: Das Foto zeigt den Vorführwagen am gleichen Tag auf der Linie 1 Kumhausen – Nordfriedhof u. z. am Hauptbahnhof Landshut in Fahrtrichtung Nordfriedhof.
(Anmerkung: Das genaue Jahr kann nicht genau wiedergegeben werden. Da sich im Hintergrund jedoch „nur“ die im Herbst 1990 gelieferten MAN SL 202 befinden (1992 kamen die MB O 405 N, die jedoch auf den Fotos nicht sichtbar sind) und 1993 bereits die im Artikel angesprochenen zwei Gelenkbusse des Typs MAN NG 272.2 geliefert wurden), ist der Einsatz wohl auf 1990 – 1992 einzusortieren.)

Fotos, Sammlung Achim Woisetschläger, Klaus

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