1700 streikende Einzelhandelsbeschäftigte demonstrieren in Stuttgart
ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft – Landesbezirk Baden-Württemberg Stuttgart, 3. Juni 2013
Ver.di erhöht den Druck im Einzelhandel
Die Gewerkschaft ver.di erhöht im Tarifstreit des Einzelhandels den Druck auf die Arbeitgeber. Auf dem Stuttgarter Schlossplatz gab es heute die bisher größte Protestaktion. Morgen wird in Sindelfingen wieder verhandelt (in zweiter Runde).
Landesweit hätten sich am heutigen Montag mehr als 2.000 Beschäftigte an Warnstreiks beteiligt, sagte ver.di-Verhandlungsführer Bernhard Franke bei der Kundgebung. Rund 1.700 von ihnen waren aus allen Teilen Baden-Württembergs nach Stuttgart gekommen und demonstrierten in der Innenstadt. Trotz kühler Temperaturen und Nieselregen prägten prächtige Stimmung und Kampfbereitschaft das Bild. In gelbe Warnwesten gekleidet, mit Trillerpfeifen und mit roten Regenschirmen mit der Aufschrift „Tarifverträge schützen“ ausgestattet protestierten die Einzelhandelsbeschäftigten lautstark gegen die Kündigung des Manteltarifvertrages durch die Arbeitgeber und bekräftigten die Forderung nach kräftigen Lohnerhöhungen.
Bei der Kundgebung auf dem Schlossplatz überbrachte Guido Lorenz solidarische Grüße der Betriebsseelsorger beider Konfessionen und ermutigte die Streikenden in ihrem Einsatz für gerechte und tariflich abgesicherte Einkommen. Eine ganz besondere Solidaritätserklärung – von der Gewerkschaft der Textilarbeiterinnen in Bangladesch – übermittelten Aktivisten der Initiative exChains, die sich in den letzten Monaten für ein Brandschutzabkommen zur Verbesserung der Sicherheits- und Arbeitsbedingungen in den Zuliefererbetrieben des Bekleidungshandels eingesetzt hat: „Für uns ist es schwer zu verstehen, dass in Deutschland, einem der reichsten Länder der Welt, die Beschäftigten für angemessene Löhne hart kämpfen müssen.“ In einem kurzen Theaterstück wurde der Zusammenhang zwischen den Arbeitsbedingungen von Näherinnen in Bangladesch und Verkäuferinnen in Deutschland deutlich gemacht: „Ob in Bangladesch oder in Deutschland – wir sind Arbeiter , die an
verschiedenen Stellen der Lieferkette arbeiten, aber zusammenstehen als Kollegen, Brüder und Schwestern!“
Bereits in den letzten Wochen hatte die Gewerkschaft im ganzen Land immer wieder zu Protestaktionen und zum Teil zu mehrtägigen Arbeitsniederlegungen aufgerufen. Hinter den von den Einzelhandelsarbeitgebern erhobenen Forderungen nach „Modernisierung“ verberge sich das Ziel Personalkosten zu senken – davon ist ver.di-Verhandlungsführer Bernhard Franke überzeugt: „Sie sprechen von Modernisierung und wollen verschlechtern, abgruppieren, abkassieren!“ Franke kritisiert die Arbeitgeberstrategie scharf und wirft dem Handelsverband vor, dieser „zünde das Haus an, das angeblich modernisiert werden soll“. Mit der Kündigung aller Tarifverträge bereite der Verband weiterer Tarifflucht den Boden und gefährde den gemeinsamen Flächentarifvertrag. Der Einzelhandel dürfe nicht „zur Niedriglohnbranche verkommen, in der sich der Unternehmer Wettbewerbsvorteile verschafft, der seine Beschäftigten am schlechtesten bezahlt, am schlechtesten behandelt und am längsten arbeiten lässt.“
Ver.di fordert die Wiederinkraftsetzung des Manteltarifvertrages und kräftige Lohnerhöhungen. Die Gehälter und Löhne sollen um einen Euro pro Stunde erhöht werden. Lehrlinge sollen 90 Euro mehr im Monat bekommen. Die „wachsende Streikbereitschaft“, so Bernhard Franke, sei in vielen Betrieben deutlich spürbar: „Die Geduld der Verkäuferinnen ist zu Ende!“
Die Tarifverhandlungen werden morgen in Sindelfingen im Mercure Hotel Bristol ab 10 Uhr fortgesetzt.
Foto, Klaus