„Volksabstimmungen und Bürgerbeteiligung erfahren hohe Zustimmung“
Der Politikwissenschaftler Thorsten Faas beschäftigt sich in einem Forschungsprojekt mit Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie in Baden-Württemberg. Seine neue Studie zeigt: Immer mehr Menschen im Land halten Volksabstimmungen für eine gute Idee. Mit dem Zustand der Demokratie in Baden-Württemberg ist eine große Mehrheit zufrieden – rund 44 Prozent finden sogar, er habe sich im letzten Jahr verbessert. Wir haben darüber mit Faas gesprochen.
Herr Faas, sind die Bürgerinnen und Bürger mit der Demokratie im Land zufrieden?
Thorsten Faas: Es gibt eine sehr hohe Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie in Baden-Württemberg – und das in praktisch allen Teilen der Gesellschaft. Das ist auch gut so, denn die Zufriedenheit mit der Demokratie sollte nicht von tagespolitischen Ereignissen abhängig sein.
Allerdings war das nicht immer so: Im Rahmen unseres Forschungsprojekts beobachten wir ja schon länger die politische Kultur in Baden-Württemberg – und gerade vor der Landtagswahl 2011 war die Stimmung im Land deutlich polarisierter, auch bei grundsätzlichen Fragen. Vor dem Hintergrund dessen sehen die Menschen im Land eine Verbesserung der Demokratie im Lande in den vergangenen beiden Jahren.
Rund 44 Prozent der Befragten finden, dass sich der Zustand der Demokratie in Baden-Württemberg im letzten Jahr „eher verbessert” oder „sehr verbessert” hat. Zeigt das, dass die Landesregierung mit ihrer Politik des Gehörtwerdens und der Ausweitung der Bürgerbeteiligung richtig liegt?
Thorsten Faas: Zu einem gewissen Teil kann man diese wahrgenommene positive Entwicklung als „Normalisierung“ vor dem Hintergrund der aufgeheizten Atmosphäre im Land vor der Landtagswahl 2011 sehen. Aber wenn man sich anschaut, dass Volksabstimmungen und andere Verfahren der Bürgerbeteiligung hohe Zustimmungswerte im Land erfahren, dann ist diese positive Entwicklung der Demokratie im Land sicher auch in diesem Zusammenhang zu sehen – eine Ausweitung von Beteiligungsmöglichkeiten wird von vielen Menschen heutzutage auch als sinnvolle Erweiterung unseres demokratischen Systems gesehen.
Wie stehen die Befragten zu Volksabstimmungen: Wollen die Bürger im Land mehr direkte Demokratie?
Thorsten Faas: Danach haben wir in der jüngsten Welle unseres Forschungsprojekts ganz direkt gefragt: 72 Prozent der Menschen stimmen der Aussage zu „Volksabstimmungen sind ein gutes Mittel, um wichtige politische Fragen zu entscheiden“. Als wir unsere Studie im unmittelbaren Umfeld des Volksentscheids zu S21 2011 durchgeführt haben, waren es damals „nur“ 60 Prozent. Das zeigt auch: Die Einstellungen und Erwartungen der Menschen rund um Direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung sind keineswegs in Stein gemeißelt. Die Themen sind neu, entsprechend dynamisch können sie sich auch entwickeln – und man kann Menschen dabei auch „mitnehmen.“
Die Volksabstimmung über das Stuttgart-21-Kündigungsgesetz vor gut zwei Jahren war ja ein echtes Novum. Wie bewerten die Befragten diese Volksabstimmung im Rückblick?
Thorsten Faas: Wir haben inzwischen viele Facetten rund um Bürgerbeteiligung und Direkte Demokratie im Rahmen des Projekts erforscht. Aber am spannendsten finde ich noch immer einen Befund: Die Gegner des Projekts zu S21 sind zufriedener damit, dass die Volksabstimmung damals stattgefunden hat, als die Befürworter des Projekts. „Noch“ zufriedener sollte man sagen – denn die zufrieden damit ist insgesamt sehr hoch. Das zeigt eben auch: Beteiligung und Beteiligungsverfahren haben – unabhängig von ihrem Ausgang – auch einen Wert an sich.
Thorsten Faas ist seit 2012 Professor für Politikwissenschaft an der Universität Mainz, zuvor war er Juniorprofessor an der Universität Mannheim. Gemeinsam mit Rüdiger Schmitt-Beck, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Mannheim, beschäftigt sich in einem Forschungsprojekt mit der Bürgerbeteiligung und der direkten Demokratie in Baden-Württemberg. In diesem Rahmen haben sie eine neue Studie vorgelegt, die auf der Auswertung einer im Sommer 2013 durchgeführten repräsentativen Umfrage basiert.
Twitter-Interview mit Professor Thorsten Faas
Ergebnispräsentation der Studie
Quelle, Staatsministerium