Mattenspringer auf den Spuren liederlicher Dirnen
Wangener SportKultur-Turner auf spannender Exkursion im Leonhards- und Bohnenviertel
Zu Weingärtnern, Tagelöhnern und liederlichen Dirnen führte die Mattenspringer, die aktiven Turner der SportKultur Stuttgart, ein Stadtspaziergang. Von der Historikerin Claudia Weinschenk erfuhren die Herren mit ihrer Begleitung viel über die interessante Geschichte zweier Stadtviertel aus sieben Jahrhunderten sowie teils kuriose Geschichten und Begebenheiten aus der Stuttgarter Esslinger Vorstadt, auch arme Vorstadt genannt. Dem kulturellen Genuss folgte zum Abschluss des Abends der kulinarische Genuss in historischem Ambiente.
Links und rechts der Hauptstätter Straße zwischen Wilhelms- und Charlotten entstand im 14 Jh. Unter Graf Eberhard III., genannt der Milde, das erste Stuttgarter Stadtviertel außerhalb der dicht besiedelten, ummauerten Kernstadt. In der mittelalterlichen Gesellschaft war es das Viertel der kleinen Leute. Weingärtner, Handwerker und Dienstboden lebten mehr schlecht als recht in den kleinen, einfachen Gebäuden. In von der Herrschaft eingerichteten, sogenannten Frauenhäusern boten in dem Gebiet Dirnen ihre Dienste an. In der damaligen Zeit war die Prostitution ein selbstverständlicher Teil des Lebens. Nach Einführung des weniger sinnenfrohen Protestantismus wurden die Häuser geschlossen und der Begriff „liederliche Dirnen“ bürgerte sich ein. Bis heute ist im Leonhardsviertel der bescheidene Stuttgarter Rotlichtbezirk zu finden.
Leider sind viele der erhalten gebliebenen barocken Häuser aus dem 17 Jh. in einem sehr beklagenswerten Zustand. Wie es besser geht haben der Schwäbische Heimatbund und der Stuttgarter Verschönerungsverein mit ihren Geschäftsstellen in der Weberstraße vorgemacht. Die Sanierung des Bohnenviertels, das seinen Namen von vor den Fenstern gespannten Schnüren mit zum trockenen aufgehängten Bohnen hat, zeigt eindrucksvoll was machbar ist. Aus einem vergessenen Gebiet ist ein quirliges, urbanes Viertel mit viel Flair entstanden.
Viele Anekdoten und Geschichten sind aus der armen Vorstadt überliefert. In der Weberstraße war der Häuserheber Erasmus Rückgauer ansässig. Der hatte aus Amerika ein Verfahren übernommen Fachwerkhäuser anzuheben um ein Geschoss darunter zu setzten. Seine Auftragsbücher waren gut gefüllt, bis 1906 das Gasthaus Hirsch in Nagold nach einem „Hebefest mit Tanz“ einstürzte. Bei dem Unglück verloren 52 Menschen ihr Leben, 94 wurden zum Teil schwer verletzt. Rückgauer musste für ein halbes Jahr ins Gefängnis. Das Heben von Häusern kam danach relativ schnell aus der Mode.
Der Chaisen-Bauer Wilhelm Wimpff aus der Rosenstraße verkaufte im August 1886 eine Kutsche der Bauart „Americain“ an den Privatier Gottlieb Daimler aus Bad Cannstatt. Diese musste nachts ausgeliefert werden und war offiziell als Geburtstaggeschenk für dessen Gattin bestimmt. Wenig später entstand daraus Daimlers erstes Automobil.
Von Gefangenen denen eiserne Fußfesseln, auch Schellen genannt, angelegt waren, hat der Schellenturm seinen Namen. Heute beherbergt dieser einzig erhaltene Turm der Stadtmauer mit der Weinstube Schellenturm eine kulinarische Institution. Nicht bei Wasser und Brot wie einst die Gefangen, sondern bei viel feineren Genüssen aus Küche und Keller, ließen es sich die Mattenspringer dort nach dieser bemerkenswerten Stadtführung gut gehen.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Klotz
Presse- u. Öffentlichkeitsarbeit – Fit & Gesund
SportKultur Stuttgart e.V.
Foto, Mattenspringer