Emissionsfrei am Stau vorbei: Pilotversuch für neuen smart forrail im Pendelverkehr rund um Stuttgart
Böblingen/Stuttgart. Daimler Mitarbeiter, die zwischen den Konzernstandorten Stuttgart-Untertürkheim und Stuttgart-Möhringen pendeln, können ab Herbst Prototypen des neuen smart forrail testen, bevor dieser im Frühsommer 2016 auf den Markt kommt. Das neue Modell nutzt die Möglichkeiten des neuen deutschen Elektromobilitätsgesetzes optimal aus. Neben der Fahrt auf normalen Fahrbahnen und Busspuren kann der smart forrail mittels spezieller Räder auch Straßenbahntrassen nutzen. Zusätzlich bietet er erstmals im Pkw-Segment die Integration eines aus dem Schienenverkehr bekannten Stromabnehmers. Dieser lädt Strom in das leistungsfähige, hybride Energiespeichersystem aus Doppelschicht-Kondensatoren (DSK) und Traktionsbatterie. Der aerodynamisch optimierte Stromabnehmer kann einfach per Knopfdruck eingefahren werden. Vom Wechsel zwischen externer und interner Energieversorgung bekommen die Passagiere nichts mit.
Nachdem es deutschen Städten nach Verabschiedung des Elektromobilitäts-gesetzes (EmoG) möglich ist, Busspuren für Elektrofahrzeuge freizugeben, testet smart in Stuttgart bereits den nächsten Meilenstein elektrischer Mobilität in der Stadt. Der smart forrail soll seinen Fahrern ermöglichen, nach Belieben zwischen Straße und Straßenbahnschiene zu wechseln. Möglich macht dies eine neuartige Radkonstruktion, die herkömmliche Pkw-Kautschukreifen mit schienentauglichen Radreifen aus Stahl kombinieren. Durch Nutzung von Straßenbahntrassen ermöglicht der smart forrail seinen Benutzern deutlich schnelleres Vorankommen in der Stadt: forrail-Fahrer können am Stau auf den Straßen einfach vorbeifahren, indem sie auf bislang den Straßenbahnen vorbehaltene Fahrbahnbereiche wechseln – urbane Mobilität 3.0.
Die Nutzung der Gleistrassen ermöglicht zugleich den Zugriff auf bestehende elektrische Oberleitungen, die bisher eine ungenutzte Ressource zum Laden von Elektro-Pkw waren.
Seine Energie bezieht der smart forrail daher komfortabel via Stromabnehmer aus der bestehenden Straßenbahn-Oberleitung. Der so genannte Halbscherenstromabnehmer, beim smart aus einem innovativen und extrem leichten Verbundmaterial aus nachwachsenden Rohstoffen1 gefertigt, ist auf Knopfdruck ausfahrbar. Er kommt mit wenigen Scherenstreben aus, was den Luftwiderstand bei ausgefahrenem Stromabnehmer deutlich reduziert und dadurch den Fahrdrahtkontakt wesentlich verbessert. Die elektrische Reichweite innerhalb eines Straßenbahnnetzes ist dann unbegrenzt. Abgerechnet wird im Pilotversuch per Flatrate, für den Serienbetrieb sind weitere Tarifmodelle in der Diskussion.
Oberleitungsfrei fährt die Vorserienversion des smart forrail dank ihres hybriden Energiespeichersystems aktuell etwa 150 Kilometer weit und kann dabei Steigungen bis zu zwanzig Prozent bewältigen – genügend Reserven für die topographischen Besonderheiten der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Geladen wird entweder während der Fahrt auf elektrifizierten Streckenabschnitten oder mit Hilfe von Schnellladestationen in Stuttgart-Untertürkeim bzw. -Möhringen. Netzanschluss und Stromrichter befinden sich dort in einem Trafohaus nahe der Werkstore.
Schulung in Signalkunde: smart Driving Academy
smart nutzt mit dem forrail die Möglichkeiten des Elektromobilitätsgesetzes und stellt sich auf eine weitere, geplante Gesetzesänderung in Deutschland ein. Ab 2016 sollen Pkw-Fahrer mit einem Führerschein der Klasse B (vor 1999: Klasse 3) einen smart forrail bewegen können. Juristisch gilt dieser als Oberleitungsbus (Obus), denn §4 des deutschen Personenbeförderungs-gesetzes definiert: „Obusse im Sinne dieses Gesetzes sind elektrisch angetriebene, nicht an Schienen gebundene Straßenfahrzeuge, die ihre Antriebsenergie einer Fahrleitung entnehmen.“ Bisher waren für das Führen eines solchen Fahrzeugs unter anderem ein Omnibus-Führerschein sowie ein Personenbeförderungsschein nötig.
Der neue Absatz 1.4 des §4 sieht vor, dass für Obusse mit weniger als fünf Sitzplätzen künftig lediglich eine zweistündige Zusatzausbildung absolviert werden muss. Dabei werden die Fahrer über die technische Beschaffenheit der Fahrzeuge und der elektrischen Anlagen sowie über die technischen Besonderheiten des Betriebes unterrichtet. Auch Sicherheitsbestimmungen, Signalkunde und Störungsbehebung im Schienenverkehr sind Bestandteil der Fortbildung. smart plant ein entsprechendes Schulungsangebot in Kooperation mit der smart Driving Academy.
Weitere Informationen von smart sind im Internet verfügbar: smart.com
Foto, Daimler