Einzelne Stadtteile haben Ihren Necknamen, so zum Beispiel die Hedelfinger D´Hedelfinger Knausbira, die Cannstatter Mondlöscher, die Stuttgarter allgemein Stäffelesrutscher, die Gaisburger Wakambaneger, die Botnanger Kuckuckseier und die Gablenberger werden Heilandstehler genannt.
Da Klaus ja auch Gablenberger ist hat Jörg Trüdinger Ihm diesen Artikel geschrieben:
Gablenberger Heilandsstehler
Ein schönes Beispiel für die unterschiedliche Erklärung der Herkunft eines Necknamens ist die Geschichte der Gablenberger Heilandsstehler.
Als Gablenberg im Jahre 1903 die alte baufällige Kirche abgebrochen wunde, nutzte man die Turnhalle als provisorisches Gotteshaus. Schließlich war der Kirchenneubau fertig und man brachte alle Kirchengeräte aus der Turnhalle in den Neubau, um sie wieder aufzustellen. Leider musste man feststellen, dass wohl während des Transports ein silbernes Kruzifix abhanden gekommen war. Schnell hatte man den Dieb ausfindig gemacht. Geistesgegenwärtig klemmte dieser daraufhin sein Kruzifix unter den Arm und floh Richtung Neckar. Seine Verfolger, die sich nicht abschütteln ließen, waren ihm dicht auf den Fersen. Am Neckar angekommen, blieb ihm als einzige Fluchtmöglichkeit ein am Ufer liegendes Boot. Ohne lange zu überlegen stieß er das Boot vom Ufer ab, sprang hinein und versuchte, das gegenüberliegende Neckarufer zu erreichen. Unglücklicherweise hatte der Neckar zu dieser Zeit Hochwasser und das Boot kenterte auf halber Strecke. Sein Sohn, der unter den Verfolgern war, rief dem Dieb zu: „Vater, lass den Heiland fahre ond heb de an de Weide.” Der um sein Leben Kämpfende antwortete kurz: „Meinen Heiland lass ich nicht, weil er ganz aus Silber ist”. Er soll übrigens mitsamt dem Kruzifix den Fluten entronnen sein.
Ganz anders und doch fast gleich ist folgende Schilderung der Gablenberger Heilandsstehler:
Seit der „Reigschmeckte” aus Untertürkheim den Gottesdienst in Gablenberg besuchte, war es jeden Sonntag immer wieder das gleiche Spiel. Nach der Predigt gingen die Männer regelmäßig zum Frühschoppen, wo der Untertürkheimer loslegte, die Gablenberger Kirche sei kahl und vor allem das Kruzifix sei mehr als dürftig. In Untertürkheim habe man ein viel schöneres. So und ähnlich ging es jede Woche. Bis eines Tages zwei Gablenberger die Idee hatten, man könne doch das Kruzifix in Untertürkheim stehlen und damit die Gablenberger Kirche verschönern. Gesagt, getan.
In einer bewölkten Nacht, es war sprichwörtlich Kuhnacht, machten sie sich auf den Weg. Mit Leichtigkeit gelangte man in die Kirche und auch die Entfernung des ganz aus Silber bestehenden Kruzifixes bereitete keine große Mühe. Leise schlichen sie aus der Kirche, irgendjemand musste trotzdem etwas bemerkt haben. Man war noch keine 50 Meter weit gekommen, als erste Rufe ertönten: „Halt, stehen bleiben! Hilfe, Räuber!“ Schnell rannten sie davon, aber die ständig zahlreicher werdenden Verfolger kamen immer nährt. Schließlich standen sie vor der Entscheidung, entweder in den Hochwasser führenden Neckar zu springen oder ihren Verfolgern in dir Hände zu fallen. Als gottesgläubige Menschen entschieden sie sich für den Sprung ins Wasser. Schnell wurden sie abgetrieben, und mussten Angst haben, zu ertrinken, da rief der eine dem anderen zu: „Jockel, lass den Heiland fahre ond heb de an de Weide.“ Dessen Antwort war nur: „Nein, meinen Jesus lass ich nicht!”
Glücklicherweise erreichten beide mitsamt ihrer Beute unversehrt das rettende Ufer. Stolz übergaben sie dem Gablenberger Pfarrer das Kruzifix. Der nahm das Geschenk natürlich nicht an und schickte es den Untertürkheimern zurück. Seiner Gemeinde, besonders dem Jockel und seinem Freund, legte er bei der nächsten Predigt ans Herz, fremdes Eigentum zu schätzen und nicht neidisch auf andere zu sein. Seit dem beschriebenen Tage, besser der Nacht, Heißen die Gablenberger „Heilandsstehler”.
Wir danken Jörg für diesen Beitrag, der wieder einmal zeigt welche Geschichtla es doch in Stuttgart gibt.
Die Geschichtla sind ein Auszug aus dem Heftle „40 Stuttgarter Geschichten“ von Jörg Trüdinger
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