SSB-Busbetriebshof Stuttgart-Gaisburg: Neubau der Abstellanlage beschlossen – Vorarbeiten haben begonnen
Die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) wird die Abstellanlage auf ihrem Busbetriebshof im Stadtteil Gaisburg (Stadtbezirk Stuttgart Ost) wieder aufbauen. Das hat der Aufsichtsrat der SSB am 28. November 2023 beschlossen. Statt einem großflächigen Hallenkomplex wird aus Gründen des Brandschutzes jedoch eine Anlage entstehen, welche in Einzelmodule aufgelöst ist. Die ehemalige Halle aus dem Jahr 1995/1996 war im Oktober 2021 aufgrund eines Defektes in einem elektrischen Bauteil abgebrannt. Die neue überdachte Fläche bietet etwa 120 bis 140 Bussen Platz. Gaisburg ist der größte Busbetriebshof der SSB.
Das Baugesuch wurde Mitte November 2023 seitens der Landeshauptstadt Stuttgart genehmigt. Aufgrund der eingegangenen Angebote auf die Ausschreibung des Bauvorhabens geht die SSB von einem Kostenrahmen von etwa 24 Millionen für den Hallenbau, zuzüglich rund vier Millionen Euro für die teilweise Unterkellerung in Gestalt einer Tiefgarage aus. Die Vorarbeiten für das neue Bauwerk haben begonnen. Der Tief- und Rohbau soll im Frühjahr 2024 starten, der Rohbau der südlichen Hälfte etwa bis Jahresende 2024 abgeschlossen sein. Im Frühjahr 2025 sollen die ersten Hallenmodule nutzbar sein, das betrifft auch die elektrische Lademöglichkeit zur Über-Nacht-Ladung von Bussen mit Batterieantrieb. Die vollständige Fertigstellung des Gesamtbauwerks wird auf Frühjahr 2026 angestrebt.
Der Antrag basiert auf einem Entwurf des Ingenieurbüros schlaich bergermann partner (Stuttgart). Die künftige Abstellanlage besteht aus zwölf einzelnen Modulen. Dabei liegen immer zwei Module nebeneinander und werden durch Brandwände mit ausreichendem Überstand in Längsrichtung getrennt. Zu den Seiten hin ist die Anlage durch Wände gegen die Witterung abgeschirmt. Das Dachtragwerk ist eine filigrane, materialsparende Konstruktion aus gebogenen Brettschichtholzträgern (Leimbinder) mit Zugbändern aus Stahl im Wechsel mit PVC-Membranflächen. Die seitlichen Außenwände der einzelnen Module werden als Sichtmauerwerk mit wiederverwendeten Mauerwerksziegeln ausgeführt. Sie sind begrünt, ebenso wie die Holzdachflächen. Die Nutzfläche der einzelnen Module wird stützenfrei ausgeführt, sodass eine ungehinderte Ein- und Ausfahrt der Busse möglich ist.
Holz: leicht und sparsam
Im Brandfall bewahrt die Holzkonstruktion ihre statische Funktion länger bei als tragende Stahlbauteile. Holz ist nicht elektrisch leitend, Kurzschlüsse können nicht weitergetragen werden. Außerdem verbrauchen die Produktion und Wiederverwertung von Holz weitaus weniger Energie als die von Metall. Der Einsatz der wiederverwendeten Ziegelsteine ist aufwändig, spart allerdings Energie und Rohstoffe. So kann der CO2-Fußabdruck noch weiter reduziert werden.
Das Holzdach wird begrünt und mit einer Photovoltaikanlage (mit einer geplanten Anlagenleistung von 606,9 kWp) ausgestattet, die ebenfalls von schlaich bergermann partner geplant wird. Die Gesamtkonstruktion wird damit ökologischen, nachhaltigen und ästhetischen Zielen und Vorgaben gerecht. Regenwasserspeicherung und Begrünung tragen außerdem zu einem ausgeglicheneren Kleinklima bei.
Aus dem Brandschutzkonzept und den durchgeführten Brandschutzsimulationen wurde eine möglichst offene Konstruktion angestrebt, bei der im Brandfall oder im Falle eines Hitzeereignisses Rauch und Hitze nach oben entweichen können. Aus diesem Grund besteht ein Teil des Wetterschutzes der Anlage aus einer Membran, die sich zwischen den Holzbögen spannt.
Unter starker Hitzeeinwirkung würden zunächst die Membran-Nähte schmelzen, woraufhin die vorgespannte Membranfläche aufreißt. Durch die so entstehenden Öffnungen können Rauch und Wärme entweichen. Brandgase sammeln sich so nicht unter der Dachfläche des gesamten Bauwerks, sondern können pro Modul direkt nach oben entweichen. Mit diesen baulichen Maßnahmen soll verhindert werden, dass ein Brand auf die gesamte Abstellanlage übergreift.
Nachladung mittels Pantograf
Die Anlage überdacht insgesamt rund 11 000 Quadratmeter Abstellfläche. Unterhalb der Überdachung sind Träger für Kabeltrassen, Beleuchtung und Ladeinfrastruktur vorgesehen, die perspektivisch auch weitere Technik aufnehmen könnten. Das elektrische Aufladen der Busse erfolgt über Pantografen, die unter der Dachkonstruktion aufgehängt sind und sich zu dem darunter abgestellten Bus absenken (Toplader). Damit je nach Bustyp und Busflotte die Pantografen zukünftig auch in Längsrichtung versetzt werden können, sind die Pantografen an Trägerschienen angebracht, die ebenfalls in Längsrichtung verlaufen.
Für den Fall, dass die E-Busse per Stecker statt per Pantograf mit Netzstrom (Erhaltungsladung) versorgt werden soll, wird es an einigen Aufstellpositionen zusätzlich Netzstecker geben. Auch deren Anschluss wird von der Dachkonstruktion abgehängt, sodass die Kabel weder auf dem Boden noch innerhalb der Fahrgassen im Weg sind. Dadurch werden mechanische Unfallgefahren und Stolperfallen vermieden, ebenso eine mechanische Beschädigung der Kabel.
Die für alle elektrischen Ladeplätze insgesamt nötige Leistung von rund vier Megawatt wird durch zusätzlich verlegte Zuleitungen vom Netz des Versorgers Energie Baden-Württemberg (EnBW) vermittelt. Für die Verteilung innerhalb der Abstellanlage sorgt eine eigene Netzstation auf dem SSB-Gelände.
Etwa unter einem Drittel der Fläche der Hallenmodule entsteht eine Tiefgarage. Sie bietet etwa 86 Stellplätze für die Privat-Pkw von Mitarbeitenden der SSB inklusive der 30 Stellplätze für die Fahrzeuge des On-Demand-Mobilitätsdienstes SSB Flex. Beginn und Ende des Schichtdienstes für die Mitarbeitenden im Busfahrdienst liegen jeweils tief in der Nacht. Die Tiefgarage vermeidet Platzprobleme auf dem Gelände des Betriebshofes und bietet zudem Platz für Fahrräder und Motorräder.
Ausweichfläche am Gaskessel
Während der Hauptbauzeit von voraussichtlich zwei Jahren müssen die Busse, die derzeit auf dem geplanten Baufeld stehen, andernorts untergebracht werden. Dafür hat die SSB von der Energieversorgung Baden-Württemberg (EnBW) eine Ausweichfläche auf dem Gelände des einstigen Gaswerks Stuttgart angemietet, direkt beim Gaskessel und somit in Sichtweite des bestehenden Busbetriebshofes Gaisburg. Die Interimsfläche ist etwa 15 000 Quadratmeter groß und bietet Platz für rund 80 Busse. Sie erstreckt sich auf dem früheren Kohlelagerplatz. Die Zufahrt erfolgt über die Pforte des Kraftwerksgeländes bei der Schlachthofkreuzung. Das Flächenprovisorium mitsamt Beleuchtung und Sozialcontainern soll ab Frühjahr 2024 nutzbar sein. Nach Ende dieser Nutzungsart wird der ursprüngliche Zustand mit unversiegeltem Boden wiederhergestellt. Die auf dem Gelände zuvor heimischen Eidechsen wurden umgesiedelt, außerdem wird in der Region Hohenlohe eine ökologische Ausgleichsmaßnahme vorgenommen.
Der Bauablauf für die Abstellanlage wird so eingerichtet, dass die einzelnen Ablaufschritte und Gewerke nicht nacheinander für alle Module abgearbeitet werden, sondern die Arbeiten möglichst parallel ablaufen. Zunächst wird die südliche Hälfte der Module errichtet und komplett fertiggestellt, damit diese anschließend voll nutzbar sind. Dann folgen die nördlichen Module. Gemeinsam mit diesen läuft der Bau der Tiefgarage. Auf diese Art erreichen Bauwerk und eingesetztes Kapital am schnellsten ihren Nutzen. Gleichzeitig lässt sich die benötigte Kapazität für die Ausweichfläche – und damit der dortige Bau- und Kostenaufwand – am ehesten begrenzen. Für einen Teil der Baukosten kommt aufgrund des Brandereignisses von 2021 die Versicherung auf.
Neue Strategie
Das Brandschutzkonzept des Entwurfs folgt dem Prinzip: Ein Brand lässt sich nie ganz ausschließen, aber seine Auswirkungen lassen sich begrenzen, sowohl die reale als auch die strategische Größe. Falls ein Modul von einem Brand betroffen ist, hat die Feuerwehr durch die Feuergassen die Chance, die anderen Module und die dort untergebrachten Busse vor einem Brandüberschlag zu bewahren. Die Fahrzeugflotte der SSB in Gaisburg umfasst insgesamt rund 160 Busse. In einem Hallenmodul kommen zehn bis 15 Fahrzeuge unter. Sollten die in einem betroffenen Modul abgestellten Busse durch Feuer oder Rauch vernichtet oder beschädigt werden, wäre dies für die Betriebsgröße der SSB eine Größenordnung, die kurzfristig kompensiert werden kann, sodass der Linienverkehr nicht beeinträchtigt würde. Auch die Ausstattung mit elektrischen Ladestationen ist pro Modul unabhängig von den anderen angelegt. Durch diese Dezentralisierung innerhalb der Gesamtanlage wird angestrebt, dass im Brandfall nicht nur der maßgebliche Teil der Busflotte und der Abstellanlage, sondern auch der Ladeplätze weiterhin nutzbar ist.
Diese Strategie der SSB für den Neubau der Abstellanlage steht im Einklang mit den Einschätzungen der Versicherung, der Berufsfeuerwehr Stuttgart, der Baubehörde der Landeshauptstadt Stuttgart sowie dem Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), was das Thema elektrischer Busbetrieb und damit verbundene Bauwerke angeht.
Bildzeilen: Visualisierung des geplanten Hallenbauwerks für den Busbetriebshof Gaisburg der SSB AG.
Vorlage: schlaich bergermann partner