Guten Tag,
das Wochenende des 02. / 03. April steht bei uns im Zeichen der Geschichte zum Anfassen. Wir zeigen 2 Luftschutzstollen aus dem 2. Weltkrieg, die kaum unterschiedlicher sein könnten und die schon in ihrer baulichen Ausführung die Dramatik der Ereignisse anklingen lassen.
Stuttgart Heilbronner Straße
Ab Frühjahr 1939 liefen die Arbeiten an einer der ersten Luftschutzanlagen in der Württembergischen Hauptstadt. Der Luftschutzstollen wurde in bergmännischer Weise unter der Fahrbahn der Heilbronner Straße errichtet. ER erhielt vier Zugänge, die alle zum Haupt- bzw. Güterbahnhof ausgerichtet waren. Zugang I lag in unmittelbarer Nähe zum Verwaltungsgebäude des Güter- bahnhofs, an dessen Stellen
heute das LBBW-Gebäude steht, und damit nur ca. 170 m vom Nordausgang des Hauptbahnhofs entfernt.
Die anderen Zugänge lagen im Areal des Güterbahnhofs bis etwa auf Höhe der Kriegerstraße. Die Anlage wurde mit Eisenbeton ausgekleidet. Die hohe Qualität der eingesetzten Baumaterialien ist noch heute erkennbar. Obwohl Baustoffe durch die überall im Reich laufenden militärischen Bauprojekte bereits knapp waren, ist hier zu erkennen, dass diese bei priorisierten Projekten zur Verfügung standen.
Ab September 1939 stand der Stollen Reisenden, Pendlern und der Belegschaft des Güterbahnhofs zur Verfügung. Somit erlebte diese Anlage alle 53 Luftangriffe auf Stuttgart und bot Zivilsten Schutz vor Bomben und Splittern. Während des Kalten Krieges wurde mit einer Modernisierung begonnen, die aber nicht abgeschlossen wurde. Die neuen Schleusenbereiche an den Zugängen zeugen von diesem Kapitel der Geschichte und veranschaulichen auch die Grenzen damaliger Zivilschutzkonzepte.
Der Luftschutzstollen unter der Heilbronner Straße war bislang für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Wir zeigen ihn erstmals im Rahmen der Langen Nacht der Museen am 02.04. von 19:00 h – 2:00 h.
Bietigheim-Bissingen Gaishalde
Während Stuttgart ab 1940 Luftangriffe erlebte blieben viele kleinere Städte im Umland lange verschont. Mehrere Unternehmen aus Stuttgart verlagerten Produktionsbetriebe in die Enz-Stadt Bietigheim.
Hier vertraute man bis Ende 1943 auf die ausgebauten Luftschutzkeller und mehrere Militärbunker der Neckar-Enz-Stellung, die die Wehrmacht der Stadt als Luftschutzräume überlassen hatte. Erst Anfang 1944 wurde der Bau von Luftschutzstollen für die Bevölkerung begonnen. Nun musste es schnell gehen, doch Material und Arbeitskräfte waren nur bedingt vorhanden, obwohl die Stadt Zugriff auf Kriegsgefangene hatte.
Die 5 Stollen im Bietigheimer Stadtgebiet waren im Dezember 1944 zur Nutzung fertig. Sie waren in die Muschelkalkfelsen getrieben worden und boten außer hölzernen Sitzbänken kaum weitere Annehmlichkeiten. Ein Innenausbau mit Beton unterblieb. Die Stollen weisen eher die Optik einer Höhle auf. Nicht einmal elektrisches Licht war überall vorhanden. Der allumfassende Mangel der letzten Kriegsjahre prägte diese Anlagen.
Zum Glück für die Bevölkerung erlebte Bietigheim den ersten Luftangriff erst im Dezember 1944. Die primitiven Stollen konnten den größten Teil der Zivilbevölkerung aufnehmen, auch wenn dort drangvolle Enge herrschte.
Als im April 1945 französische Truppen die Weststadt besetzten entbrannte inmitten der Stadt ein 12-tägiger Kampf mit den deutschen Verteidigern oder Oststadt. Innerhalb des Stadtgebiets spielten sich unbeschreibliche Szenen ab, dutzende Zivilisten kamen ums Leben. Die Bietigheimer, die lange Zeit das Glück hatten, nicht von Luftangriffen heimgesucht zu werden, lebten nun unter Artilleriebeschuss von beiden Seiten. Die Luftschutzstollen erwiesen sich dabei als sichere Zuflucht.
Der Luftschutzstollen Gaishalde ist der einzige von einstmals fünf Stollen der Stadt, der heute noch besichtigt werden kann. Wir zeigen ihn am Sonntag, 03.April von 11:00 h – 17:00 h.
Steht die Anlage Heilbronner Straße für den Vorabend des 2. Weltkriegs, eine ausreichende Planungszeit und auch die Verfügbarkeit von Baumaterial und Arbeitskräften so spiegeln sich die Agonie, der Aktionismus und der Mangel des nahenden Kriegsendes in dem Stollen Gaishalde auf eindrückliche Weise wieder. Wir zeigen die Anlagen unabhängig voneinander. Aber der direkte Vergleich liefert einen imposanten Kontrast und anschauliche Eindrücke.
Der Eingang liegt neben der B27 im Fels unter der katholischen Kirche St. Laurentius (Bushaltestelle Auwiesenbrücke). Parkmöglichkeiten gibt es auf dem aldi-Parkplatz in der Wobachstraße.
Norbert Prothmann
Foto vom Veranstalter